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Der Teufel in der Weihnachtsnacht

Titel: Der Teufel in der Weihnachtsnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Lewinsky
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Firnis, vor den schweren flandrischen Teppichen wurden seine Haare zu verblasstem Flaum, und wenn sich eine der holzgeschnitzten Türen lautlos vor ihm öffnete, glänzte sein Teint wie vom Olivenöl, mit dem die kunstvollen Paneele seit Jahrhunderten poliert worden waren. Kurz: Er wurde quasi – oder in seinem Fall vielleicht sogar tatsächlich – unsichtbar. Wer will das so genau wissen? Auf jeden Fall hielt ihn niemand auf, als er das Schlafzimmer des Papstes betrat. Seine Heiligkeit hatte in der letzten Nacht wirklich sehr schlecht geschlafen.
    «Schickes Pyjama», sagte der Teufel anerkennend.
    Der Papst schlug verwirrt die Augen auf und sah einen völlig fremden Mann an seinem Bett stehen, der sich mit dem fürsorglichen Lächelneines Oberkellners über ihn beugte. «Wer sind Sie?»
    Eine Visitenkarte wuchs – zumindest sah es in den noch schlaftrunkenen Augen des Papstes so aus – aus der überraschend behaarten Handfläche des Besuchers. «Teufel», stellte er sich mit einer formvollendeten Verbeugung vor.
    Erschrocken tastete der Papst nach dem Kreuz an der Halskette, die er seit seinen Tagen auf dem Priesterseminar nie mehr abgelegt hatte. Aber sein Gast schüttelte nur leicht amüsiert den Kopf und sprach weiter: «Hieronymus Teufel. Altes schwäbisches Patriziergeschlecht. Selbstverständlich katholisch. Schon immer.»
    «Wie … wie kommen Sie hier herein?»
    «Es hat mich niemand aufgehalten.» Moderne Teufel lügen nicht. Sie pflegen, wie medienbewusste Politiker, nur einen ökonomischen Umgang mit der Wahrheit. Es ist nicht ganz klar, wer die Technik von wem gelernt hat.
    «Und was wollen Sie hier?»
    Der Teufel setzte sich auf die Bettkante. Wenn jemand hereingekommen wäre, hätte er geschworen, hier betreue ein vertrauter Hausarzt einen alten Patienten. «Ich bin gekommen, um zu helfen», sagte der Teufel.
    «Mir?»
    «Auch Ihnen. Allen guten Christenmenschen. Der ganzen Kirche.»
    «Wie soll ich das verstehen?»
    «Sehen Sie», sagte der Teufel und saß plötzlich an dem Schreibtisch, an den sich außer dem Papst selber niemand, aber wirklich niemand setzen durfte, «sehen Sie, Eure Heiligkeit, mit den Finanzen der Kirche ist es nicht zum besten bestellt. Ich habe hier den Abschluss des letzten Jahres …» – mit der betont nonchalanten Geste eines Zauberers, der einem leeren Zylinder einen riesigen Blumenstrauß entnimmt, holte er einen Packen Computerausdrucke aus der Luft und ließ sie, sich entfaltend, bis auf den Boden flattern –, «… und wenn man sich die Zahlen so ansieht,dann muss man feststellen: Als Privatunternehmen müsste der Heilige Stuhl schon bald einmal daran denken, die ersten Mitarbeiter zu entlassen.» Über den Rand einer schmalen Brille hinwegguckend, wies er auf eine Zeile und schnalzte missbilligend mit der Zunge. «Wirklich sehr bedenkliche Zahlen.»
    «Woher …?», setzte der Papst an, aber sein Besucher – auch das hatte er mit einem Versicherungsvertreter oder einem Politiker gemeinsam – ließ ihn gar nicht zu Wort kommen. «Fusionieren wäre natürlich eine Möglichkeit», fuhr er nachdenklich fort. «Einen Partner mit ähnlicher Produktepalette suchen und dann die Synergien nutzen. Die Mitarbeiterzahl verkleinern und unnötige Produktionsstätten abstoßen.»
    «Was für Produktionsstätten?»
    «Ich denke an all die vielen Orte, wo eine katholische neben einer evangelischen Kirche steht, und beide sind in der gegenwärtigen Marktsituation nicht ausgelastet. Und das trotzoft bester Citylagen. Wenn sich dieser brachliegende Immobilienbestand aktivieren ließe …»
    «Aktivieren?» Der Papst glich in diesem Moment sehr dem Tiziangemälde über seinem Schreibtisch. Es zeigte den heiligen Antonius von Padua beim Abwehren einer Versuchung. «Wollen Sie damit sagen: Wir sollen Kirchen verkaufen?»
    «Aber nicht doch!», beruhigte ihn sein Besucher.
    «Gott sei Dank!»
    Der Besucher zuckte zusammen. Irgendetwas an diesem Wort schien ihm nicht gut zu bekommen. «Ich würde vorschlagen: Leasing», fuhr er fort. «Die Gebäude für neunundneunzig Jahre verpachten oder so. Als Disco oder Supermarkt.»
    «Das kommt überhaupt nicht in Frage!», sagte der Papst mit seiner donnerndsten Ex-cathedra-Stimme. Sein Gegenüber schien dadurch nicht beeindruckt.
    «Genau die Reaktion, die ich erwartet habe», antwortete der Teufel. «Ich wollte Ihnen ja auch nur die ganze Bandbreite der Möglichkeiten deutlich machen, die ein modernes Marketingkonzept auch für Ihr

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