Der Teufel kommt raus: Kriminalroman
Wagen und hält seine Polizeimarke hoch. »Ein Fahrzeug vor uns enthält vielleicht eine terroristische Bombe. Bitte steigen Sie aus Ihren Fahrzeugen und entfernen Sie sich in diese Richtung«, befiehlt er und deutet hinter uns. Die Aufforderung bewirkt jedoch nur, dass die Leute ihn ungläubig anglotzen und ein paar Autofahrer auf uns zeigen und einander lachend anstupsen.
Gardner steigt auf das Dach eines niedrigen Sportwagens, der neben uns im Verkehr feststeckt, reckt seine Kanone wie eine Startpistole gen Himmel und feuert in schneller Folge drei Schüsse ab.
Peng, peng, peng!
Als die letzte Patronenhülse klimpernd aufs Pflaster fällt, regiert das Chaos im Stadtzentrum von Baltimore. Schreiend und über Autos, Bordsteine, Zeitungsspender und übereinander fallend, verwandeln aufgeschreckte Pendler einen ganzen Straßenzug der St. Paul’s Street erst in den Schauplatz eines spontanen Wettrennens, dann in einen gewaltigen Gebrauchtwagenhof. Ein merkwürdiges Potpourri aus Musik und mehrsprachigen Stimmen erfüllt die Luft. So gut wie jeder, der geflüchtet ist, hat seine Schlüssel in der Zündung, die Türen offen und die Stereoanlage an gelassen.
Ich konzentriere mich auf den gelben Lieferwagen, der noch immer anderthalb Blocks entfernt ist. Als die Fahrzeuge drumherum sich langsam vorwärts bewegen, leuchten seine Bremsleuchten auf und eine Hand greift hinaus, um die offene Fahrertür zu schließen.
Ich galoppiere den Gehsteig entlang, vorbei an Unmengen fluchtartig verlassener Autos, bis ich eines finde, das nicht im Verkehr feststeckt. Der Motor des neuen Cadillac-Modells läuft noch, als ich hinters Lenkrad rutsche. Eine halbe Sekunde später hechtet Gardner schnaufend und keuchend durch die Beifahrertür.
Der Hinterreifen jault protestierend auf, als ich das Gaspedal durchdrücke, die St. Paul Street hochspritze und über die Kreuzung auf den gelben Lieferwagen zurase. Fragen Sie mich nicht warum, aber mir fällt auf, dass der Cadillac ein absoluter Saustall ist, mit Bananenschalen auf dem Boden und anderem Dreck.
Ein halber Block trennt uns noch von dem Lieferwagen, der von einer Phalanx aus Autos abgeschirmt ist, während er sich Stück für Stück auf die nächste Ampel zubewegt. Das Vorankommen des Lieferwagens wird vorübergehend von Fahrzeugen blockiert, deren Fahrer rücksichtslos mitten auf der Kreuzung angehalten haben. Der Stau löst sich jedoch viel zu schnell auf, was es dem Fahrer des Floristen-Lieferwagens ermöglicht, im Kriechtempo die Kreuzung zu überqueren.
Jetzt noch zwei.
Der Verkehr fließt wieder problemlos, ohne das ruckartige Stop-and-Go wie noch vor Minuten. Hinter mir ist überhauptkein Verkehr – der Fuhrpark aus verlassenen Wagen hat die St. Paul Street fein säuberlich abgeriegelt.
Direkt neben dem Lieferwagen, in einem schwarzen Hecktürmodell, toben zwei Jungs, die einen blauen Nerf-Ball gegen die Fenster werfen und ihre gestresste Mom damit in den Wahnsinn treiben. Für den Bruchteil einer Sekunde schießt mir Jamal durch den Kopf, und mir wird überdeutlich bewusst, wie unpassend normal alles scheint.
Ich handele ohne Voraussicht oder Vorbedacht, nur mit von Adrenalin befeuerter Zielstrebigkeit. Mir bleibt keine Zeit, lange zu überlegen oder zu planen; ich muss um jeden Preis den gelben Laster von dem fünfstöckigen Backsteingebäude auf der linken Seite fernhalten.
Und jetzt fährt er ungehindert über die nächste Kreuzung.
Nur noch eine Ampel.
Gerade, als es so aussieht, als würde der Lieferwagen es über die letzte Kreuzung schaffen, um dann nach links abzubiegen, die Straße zu queren und ungehindert die halbrunde Zufahrt zum NAACP hinaufzufahren, fängt das orangefarbene Fußgänger-Warnsignal am Zebrastreifen an zu blinken, und die Ampel schaltet schnell auf Gelb, dann auf Rot. Niemand folgt dem Floristen-Lieferwagen in die Linksabbiegerspur, was es mir erlaubt, mich direkt hinter ihn zu manövrieren.
Die Räder des Cadillac sind noch nicht mal zum Stillstand gekommen: Wie kommt es also, dass Gardner mit gezogener Waffe und Anweisungen brüllend zur Beifahrerseite des Lieferwagens sprintet? Böller knallen, und Gardner bewegt sich ruckartig, strauchelt und fällt ungelenk zwischen eine Harley-Davidson und einen Stadtlinienbus.
Noch ein Laut dringt in mein Bewusstsein, irgendwelche Flüche und verzweifeltes Geseiere, noch nicht zum Sterben bereit zu sein. Die Stimme klingt auffallend nach meiner.
Der Lieferwagen fährt jetzt über die rote
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