Der Teufel kommt raus: Kriminalroman
glauben, dass Ambrose hier in aller Seelenruhe sitzt und Entschuldigungen für diesen Scheißtypen findet, als hätte er einen Bagatellschaden verursacht, statt für den Tod mehrerer Menschen verantwortlich zu sein.
»Wie hieß er noch mal?«
»Mark. Mark Dillard. Er wohnt in 4503 Baker Street«, sagt sie und wartet artig auf meine nächste Frage.
»Wer ist sein Partner?«
Gardner lässt einen Huster los, der rasselnd in der höhlenartigen Bibliothek widerhallt. Ist das irgendein Signal?
»Bob, äh, Robert. Nachname Simmes. Keine Ahnung, wo der wohnt – irgendwo in South Baltimore. Der Dritte im Bunde war Harry Bowles. Aber der hat sich umgebracht, nachdem sie die Rohrbombe in diesem Müllauto gelegt hatten.« All das vorgetragen mit der monotonen Stimme einer Wirtin, die ihren Gästen das Mittagsmenü aufzählt.
»Wer von denen hat Blumberg erschossen?«
»Das war Mark. Er hasst Juden«, sagt Ambrose, hält inne und läuft knallrot an. »Und Schwarze. Deshalb darf er auch nie von dem Freier erfahren, den ich bedient habe.«
»Und wer war für die Mülltonnen-Anschläge verantwortlich?« Ich senke den Blick auf die Notizen, die ich mir hingekritzelt habe. »Waren das Dillard und Simmes?«
»Ja, die waren’s.«
»Nur damit ich das richtig verstehe. Die haben drei Menschen getötet, ja?«
Ambrose fängt doch tatsächlich an, die Opfer an den Fingern abzuzählen! Aus den Augenwinkeln nehme ich wahr, dass Gardner noch immer über seinem Buch kauert, vorgeblich noch genauso in die Lektüre vertieft wie zu dem Zeitpunkt, als ich reinkam.
»Neiiiin. Ähm, eigentlich vier. Da war noch ein verdeckter Ermittler, ein Typ namens Brown, der Mark besucht hat. Sie haben ihn im Haus umgebracht und seine Leiche in einer Müllverbrennungsanlage entsorgt.«
»Nur damit ich das richtig verstehe. Das war ein Polizist der Stadtpolizei in Baltimore? Sie haben neben ihren anderen Opfern auch noch einen Beamten der Stadtpolizei umgebracht? Woher wissen Sie das alles?« Ein Wahnsinnskopfschmerz setzt sich hinter meinem linken Augapfel fest. »Woher haben Sie all diese Informationen?«
»Mark erzählt mir das nachts, wenn er sich betrinkt und wir fi… – uns lieben.«
»Gibt es irgendeine Möglichkeit, wie wir den Anschlagsplan auf das NAACP vereiteln können?«
»Nee, glaub ich nicht; dafür ist es jetzt zu spät.« Ambrose nimmt ihre Sonnenbrille wieder ab und fixiert mich mit leicht weggetretenem Blick aus nur einem Auge.
»Was meinen Sie damit? Wovon zum Teufel sprechen Sie? Wenn Sie mir verraten, wo sie sich verstecken und wo sie den Sprengstoff aufbewahren, können wir sie doch noch stoppen, oder nicht? Was meinen Sie damit?«
Ambrose setzt gleichgültig ihre Sonnenbrille wieder auf und lehnt sich auf dem Stuhl nach hinten zurück. Sie verschränkt die Hände hinter dem Kopf und schlägt die Beine übereinander, wodurch ihr Rock nach oben rutscht. Ihre Miene ist angewidert, als wäre ich ein Schwachkopf, der es immer noch nicht verstanden hat.
»Vor zwei Tagen hat Mark drei Kisten Dynamit von irgendeiner Baustelle geklaut, auf der er mal gearbeitet hat«, sagt sie, blickt ins Leere und spricht wieder mit der gruseligen monotonen Stimme. »Er und Simmes sollten in dieser Sekunde mit einem gestohlenen Blumenlieferwagen auf dem Weg zum NAACP sein. Er ist gelb.«
Mein Stuhl stürzt um und holpert über den Boden, als ich aufspringe, nach hinten taumele und gegen den Tisch direkt hinter mir stoße. Erschreckt schießt Gardner hoch und zerrt an seinem Hosenbein, um seine Handfeuerwaffe aus dem Knöchelholster zu ziehen.
»Von wo aus kommen sie?«, schreie ich aus voller Lunge.
Ambrose schüttelt achselzuckend den Kopf.
»Der NAACP-Anschlag findet
jetzt
statt«, rufe ich Gardner zu, der die Finger in den Mund steckt und ein schrilles Pfeifen ausstößt, worauf auf wundersame Weise drei Polizisten in Uniform und in Zivil auftauchen. So viel zu seiner Zusicherung, nur
einen
Mann zur Verstärkung mitzubringen.
»Oh mein Gott, oh mein Gott, oh mein Gott«, rufe ich hektisch, während ich mit vollem Tempo durch die Eingangshalle raus auf die Straße renne. Gardner ist dicht hinter mir. Mitten imLauf reißt mich jemand am Hemd und ringt mich auf dem Rasen nieder.
»
Denken Sie nach!
«, sagt Gardner, der wild dreinblickt und genauso hyperventiliert wie ich. »Panik können wir uns nicht leisten. Wir brauchen einen Plan.«
»Haben Sie ein Funkgerät im Wagen?«, schreie ich Gardner an, als stünde er einen
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