Der Teufel trägt Prada
Kacheln und Wände in unterschiedlichen Rosatönen, und zwar jeweils knapp daneben. Das eigentliche Schlafzimmer war deutlich größer als der verbliebene Wohnbereich und mit einem winzigen Einbauschrank, einem Deckenventilator
sowie einem kleinen, offenbar vor der Jahrtausendwende zuletzt geputzten Fenster ausgestattet, das direkten Ausblick auf ein Apartment im Nachbargebäude bot. Lily hatte sogleich Ansprüche darauf angemeldet, und mir war es nur recht. Sie brauchte letztlich ein Schlaf- und Arbeitszimmer, sprich: mehr Platz, und ich legte mehr Wert auf Licht und direkten Zugang zum Balkon.
»Danke, Lil«, flüsterte ich.
»Was hast du gesagt, Schätzchen?« Meine Mutter stand hinter mir.
»Ach, nichts. Bloß, dass Lily das wirklich super hingekriegt hat. Ich wusste ja nicht, was mich hier erwarten würde, aber es ist doch Spitze, oder was meinst du?«
Sie mühte sich sichtlich um eine möglichst taktvolle Formulierung. »Ja, für New York ist es sicher eine ganz tolle Wohnung. Ich tue mich nur schwer damit, dass ihr so viel zahlt und so wenig dafür bekommt. Deine Schwester und Kyle zahlen alles in allem 1400 pro Monat für ihre Eigentumswohnung ab, und die hat Klimaanlage, eine brandneue Spülmaschine, eine Wasch-Trockeneinheit, drei Schlafzimmer und zwei Marmorbäder!« Aus ihrem Mund klang es wie eine Offenbarung. Klar, für 2280 Dollar kriegte man ein Stadthaus an der Uferpromenade von Los Angeles, eine Maisonnette-Wohnung mit altem Baumbestand vor der Tür in Chicago, ein Fünf-Zimmer-Split-Level in Miami oder ein ganzes verfluchtes Schloss samt Burggraben in Cleveland. Das war nichts Neues.
»Und zwei Wagenstellplätze sowie kostenlose Benutzung von Golfplatz, Fitnesscenter und Pool«, steuerte ich bereitwillig bei. »Ich weiß, ich weiß. Aber ob du’s glaubst oder nicht, die Bude ist echt ein Hit. Ich denke mal, wir werden es uns hier so richtig gut gehen lassen.«
Sie nahm mich in den Arm. »Das denke ich auch. Solange ihr nicht zu viel rackert, um es überhaupt noch zu genießen«, bemerkte sie leichthin.
Mein Dad gesellte sich zu uns und schnürte den Beutel auf, den er den ganzen Tag mit sich herumgeschleppt hatte. Er enthielt nicht, wie von mir vermutet, die Sportklamotten für das Racketballmatch, das er heute noch bestreiten wollte, sondern eine kastanienbraune Schachtel mit der knalligen Aufschrift »Limited Edition!«. Ein Scrabble-Spiel. Die Liebhaber-Ausgabe mit dem drehbaren Untersatz für das Spielbrett und den eingelassenen Spielfeldern, die ein Verrutschen der Buchstabenplättchen verhinderten. Zehn Jahre standen wir nun schon in den einschlägigen Geschäften bewundernd davor, aber nie hatte sich ein würdiger Anlass ergeben, um dieses Prachtstück tatsächlich zu erwerben.
»Ach Dad. Das solltest du doch nicht!« Ich wusste, dass die Sonderausgabe weit über 200 Dollar kostete. »Ach, ist das schön!!«
»Genieß es bei Leben und Gesundheit«, sagte er und erwiderte meine Umarmung. »Oder, noch besser, mach deinem alten Herrn damit Feuer unterm Hintern, darauf wird es vermutlich hinauslaufen. Ich kann mich noch an die Zeiten erinnern, als ich dich gewinnen lassen musste, sonst wärst du wie ein wütender Stier durchs Haus getrampelt und hättest den ganzen Abend lang geschmollt. Und was ist jetzt?! Meine armen alten Hirnzellen sind allesamt verschmort, und ich hätte keine Chance mehr gegen dich. Obwohl, versuchen will ich’s natürlich trotzdem.«
Ich wollte eben erwidern, dass ich den besten Lehrmeister gehabt hatte, der sich nur denken ließ, als Alex hereinkam – und seine Miene verhieß nichts Gutes.
»Was ist?«, fragte ich.
»Ach, gar nichts.« Sein Blick sprach Bände: Erst wollte er meine Eltern aus dem Weg haben. »Ich hab schon mal eine Kiste mit raufgebracht.«
»Komm, wir holen noch ein paar«, nahm Dad die Anregung auf und zog Mom Richtung Tür. »Vielleicht hat Mr. Fisher ja so
was Ähnliches wie eine Sackkarre. Da könnten wir gleich eine ganze Ladung draufpacken. Bis gleich.«
Alex und ich warteten ab, bis die Fahrstuhltüren sich wieder geschlossen hatten.
»Also, ich habe eben mit Lily gesprochen«, sagte er langsam.
»Sie ist doch nicht immer noch sauer auf mich, oder? Sie war die ganze Woche über so komisch.«
»Nein, das ist es wohl nicht.«
»Was dann?«
»Na ja, sie war gar nicht zu Hause...«
»Wo denn dann? Bei irgendeinem Typen? Hat sie es echt fertiggebracht, ihren eigenen Umzugstag zu verschwitzen?« Ich riss eines der Fenster in dem
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