Der Teufel trägt Prada
achten Klasse zieht sich nackt aus und lässt es sich an der Straßenecke besorgen? Von Typen mit Zungenringen?«
»Reg dich ab, Andy. Mit ihr ist alles okay, ehrlich. Der Bulle hat sie eigentlich nur deswegen festgenommen, weil sie ihm den Stinkefinger gezeigt hat, als er fragte, ob sie vorher wirklich die Hose runtergelassen hätte...«
»Großer Gott. Ich kann nicht mehr. So müssen sich Mütter fühlen.«
»… aber sie haben es bei einer Verwarnung belassen, und jetzt will sie zurück in ihre Wohnung und sich ein bisschen erholen – klingt, als hätte sie gestern schwer getankt. Sonst wäre sie wohl kaum auf den Einfall gekommen, einen Polizeibeamten zu reizen. Also mach dir keine Sorgen. Wir räumen jetzt erst mal dein Zeug ein, und dann fahren wir zu ihr, wenn du willst.« Er hievte die erste Kiste von der Sackkarre, die mein Dad mitten im Wohnzimmer geparkt hatte.
Warten kam nicht in Frage; ich musste sofort wissen, was los war. Sie meldete sich erst beim vierten Klingeln, kurz bevor sich ihre Mailbox einschaltete, so als hätte sie bis zur letzten Sekunde überlegt, ob sie drangehen sollte oder nicht.
»Alles in Ordnung mit dir?«, überfiel ich sie.
»Hey, Andy. Hoffentlich habe ich jetzt nicht irgendwie den Umzug vermasselt. Ihr braucht mich da im Augenblick nicht, oder? Tut mir Leid, das Ganze.«
»Nein, darum geht’s mir gar nicht, es geht mir um dich. Alles in Ordnung mit dir?« Mir war gerade aufgegangen, dass Lily, wenn sie jetzt, am frühen Samstagmorgen, erst auf dem Nachhauseweg war, am Ende die Nacht in der Polizeiwache verbracht hatte. »Haben sie dich etwa über Nacht dabehalten? Im Gefängnis ?«
»Ja, schätze, so könnte man’s sagen. War aber gar nicht so schlimm, nicht wie im Fernsehen oder so. Es war einfach ein Zimmer, und da hab ich geschlafen, zusammen mit einem völlig harmlosen Mädchen, das irgendeinen ähnlichen Blödsinn angestellt hatte wie ich. Die Wärter waren total cool – das Ganze war ziemlich relaxt. Keine Gitter oder so was.« Ihr Lachen klang verdächtig hohl.
Ich verdaute das einen Augenblick und versuchte, mir meine süße kleine Hippiemaus Lily knöcheltief in Urin watend und in den Fängen einer wild gewordenen Lesbe vorzustellen. »Und
was zum Teufel hat Mr. Zungenring zu der ganzen Sache beigetragen? Hat er dich einfach im Gefängnis verrotten lassen?« Plötzlich fiel mir auf: Was zum Teufel hatte ich denn zu der Sache beigetragen? Warum hatte Lily mich nicht angerufen?
»Ach, er war eigentlich super, er -«
»Lily, warum -«
»- wäre auch dageblieben und hat sogar den Anwalt von seinen Eltern angerufen -«
»Lily. Lily! Halt mal eine Sekunde die Luft an. Warum hast du mich nicht angerufen? Ich wäre doch in null Komma nichts dagewesen und nicht eher gegangen, bis sie dich rausgelassen hätten. Also wieso? Wieso hast du nicht angerufen?«
»Ach Andy, es spielt doch keine Rolle mehr. Es war echt nicht so schlimm, ich schwör’s dir. Ich hab mich einfach scheißdämlich aufgeführt, bloß weil ich so hackedicht war, aber das kommt nicht wieder vor, ich schwör’s dir. Das ist es einfach nicht wert.«
»Warum? Warum hast du nicht angerufen? Ich war den ganzen Abend zu Hause.«
»Ist wirklich nicht so wichtig. Ich habe nicht angerufen, weil ich mir dachte, entweder bist du noch im Büro oder hundemüde, und ich wollte dich nicht belästigen. Schon gar nicht freitagabends.«
Ich überlegte, was ich letzten Abend eigentlich gemacht hatte. Das Einzige, was ich noch mit Bestimmtheit wusste, war, dass ich mir zum exakt 68. Mal in meinem Leben Dirty Dancing angesehen hatte. Und zum allerersten Mal noch vor der Szene eingeschlafen war, in der Johnny sagt »Mein Baby gehört zu mir« und sie danach buchstäblich vom Hocker reisst, und Dr. Houseman sagt, er wisse, dass es nicht Johnny war, der Penny in Schwierigkeiten gebracht hat, und ihm auf den Rücken klopft und Baby einen Kuss gibt, die seit neuestem wieder Frances genannt werden will. Eine Szene, die ich für mich persönlich immer als wesensprägend empfunden hatte.
»Im Büro? Du dachtest, ich wäre noch im Büro? Und was heißt schon hundemüde – das zählt doch nicht, wenn du Hilfe brauchst?! Was soll das, Lil?«
»Komm, lass es gut sein, Andy. Du arbeitest wie blöd, Tag und Nacht, und meistens auch noch am Wochenende. Und wenn du mal frei hast, meckerst du über deine Arbeit. Schon klar, ich weiß sehr gut, was für einen Scheißjob du dir da aufgehalst hast mit dieser Irren, die dich
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