Der Teufel trägt Prada
dich?«
»Kann schon sein«, seufzte ich. »Ich hab ihn in letzter Zeit aber auch ganz schön mies behandelt.« Ich ging zur Bar, um mir eine Speisekarte zu holen, und als ich wieder zurückkam, hatte sich der Wall-Street-Typ an Lily rangemacht und hockte Knie an Knie neben ihr. Er sah aus wie Ende 20, hätte mit seinen Geheimratsecken aber auch ein ganzes Teil älter sein können.
Ich warf Lily ihre Jacke zu. »Komm, zieh dich an. Wir gehen«, sagte ich, ohne ihn aus den Augen zu lassen. Er war sowieso nicht der Größte, aber in seiner Bundfaltenhose wirkte er geradezu mickrig. Dass sein Mund keine fünf Zentimeter vom Ohr meiner besten Freundin entfernt war, machte ihn mir auch nicht unbedingt sympathischer.
»Warum so eilig, Süße?«, näselte er beleidigt. »Deine Freundin und ich, wir kommen uns gerade näher.« Lily nickte und wollte einen Schluck aus ihrem leeren Glas trinken.
»Das ist ja reizend. Aber wir müssen jetzt los. Wir heißen Sie?«
»Stuart.«
»Nett, Sie kennen gelernt zu haben, Stuart. Was halten Sie davon, wenn Sie Lily Ihre Telefonnummer geben? Dann kann sie Sie anrufen oder auch nicht, wenn es ihr wieder besser geht. Was meinen Sie?« Ich bleckte lächelnd die Beißerchen.
»Klar, warum nicht. Von mir aus. Man sieht sich.« Er sprang auf und verdünnisierte sich so schnell in Richtung Bar, dass Lily überhaupt nichts davon mitbekam.
»Stuart und ich freunden uns ein bisschen an, nicht wahr, Stu?« Sie drehte sich zur Seite, sah seinen leeren Platz und machte ein verdutztes Gesicht.
»Stuart musste dringend los, Lil. Komm, wir gehen.«
Ich stopfte sie in ihre grüne Seemannsjacke und zog sie hoch. Schwankend folgte sie mir nach draußen. Der Wind war eisig, schneidend. Vielleicht würde er ihr gut tun.
»Mir geht’s dreckig«, lallte sie.
»Ich weiß, Kleines. Ich weiß. Komm, wir nehmen uns ein Taxi. Ich bring dich nach Hause, okay? Meinst du, du schaffst es?«
Sie nickte, beugte sich lässig nach vorne und übergab sich. Der Schwall ergoss sich über ihre braunen Boots und spritzte bis auf die Jeans. Was würden wohl die Runway-Girls zu meiner besten Freundin sagen?, schoss es mir durch den Kopf.
Ich pflanzte Lily auf die Fensterbank eines Geschäfts, das so aussah, als ob es keine Alarmanlage hätte, und befahl ihr, sich nicht von der Stelle zu rühren. Dann lief ich über die Straße in einen spanischen Laden, der um diese Zeit noch geöffnet war. Bis ich wieder zurück war, hatte sie sich noch einmal übergeben, diesmal war die Bescherung auf ihrer Seemannsjacke gelandet. Ihr Blick war glasig. Ich hatte zwei Flaschen Mineralwasser gekauft, eine zum Trinken, eine zum Abwischen. Aber sie bot ein derartig ekeliges Bild, dass ich beide Flaschen über sie auskippte, eine über ihre Schuhe, eine über die Jacke. Besser pitschnass als nach Erbrochenem stinkend, wenn wir ein Taxi kriegen wollten. Sie war so blau, dass sie sich weder wehrte noch bedankte.
Ich musste all meine Überredungskünste mobilisieren, um den Taxifahrer zu erweichen. Dass ich ihm versprach, auf den wahrscheinlich sowieso schon ziemlich deftigen Fahrpreis noch ein dickes Trinkgeld draufzupacken, wirkte besser als 1000 Worte. Schließlich mussten wir von der Lower East Side weit rauf bis auf die Upper West Side. Der Trip würde mich mindestens 20 Mäuse kosten. Aber wofür hatte frau schließlich ein Spesenkonto? Ich brauchte die Fahrt bloß als irgendeine Besorgungsexpedition für Miranda zu deklarieren, und schon würde man mir die Kohle erstatten. Ja, das würde gehen.
Die drei Treppen hoch bis in ihre Wohnung waren noch weniger lustig als die 20-minütige Taxifahrt, aber als ich sie endlich oben hatte, ging es besser. Lily schaffte es sogar, sich in der Dusche allein zu waschen, nachdem ich sie aus ihren Klamotten gepellt hatte. Als ich sie anschließend zu ihrem Bett geleitete, kippte sie mit dem Gesicht zuerst auf die Matratze und schlief auf der Stelle ein. Mich überkam ein leises Gefühl der Nostalgie. Ich musste an unsere Zeit auf dem College denken und an all die verrückten Sachen, die wir damals gemacht hatten. So unbeschwert wie damals würden wir nie wieder sein.
Vielleicht übertrieb Lily es doch ein bisschen mit dem Trinken. Sie schien in letzter Zeit ständig unter Strom zu stehen. Als Alex in der vergangenen Woche darauf zu sprechen gekommen war, hatte ich sie in Schutz genommen: Sie wäre eben immer noch Studentin und noch nicht in der realen Welt gelandet, wo ein erwachsener Mensch
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