Der Teufel und die Lady
statt Holztafeln oder Pergament zu benutzen, war für Brenna etwas ganz Neues, daher war sie so besonders stolz auf dieses Bild.
„Ich weiß, wie gut du mit einem Messer umgehen kannst“, fuhr Gwyneth fort. Ihr fiel das neue Gemälde gar nicht auf. „Und dass du heimlich damit übst.“
Brenna zuckte ertappt zusammen und war gleichzeitig ein wenig enttäuscht, weil Gwyneth die Leinwand gar nicht bemerkte. Es stimmte, sie hatte viele Stunden damit verbracht, Messer auf die Holzscheibe zu werfen, als Vorbereitung auf ihre Reise nach Italien. Aber sie war doch keine Mörderin! „Meine Messer sollen beschützen!“
„Dann beschütze uns.“ Gwyneth hielt den Dolch hoch in die Luft. Die scharfe Klinge bebte in ihrer zitternden Hand. „Töte den Vollstrecker. Das hier ist ein ganz besonderer Dolch – l’occhio del diavolo .“
Italienisch, die Sprache, die Brenna studiert hatte. L’occhio del diavolo . Das Auge des Teufels. Was für ein seltsamer Name für einen Dolch.
Brenna sprang auf. Sie musste unbedingt etwas unternehmen, ehe ihre Schwester sich noch selbst eine Verletzung zufügte. „Gib mir das, du Dummchen. Hier wird niemand getötet.“ Sie nahm die Waffe, trat an ihren Tisch und schob die Schalen beiseite, in denen sie ihre Farben mischte. Ein paar Pinsel fielen zu Boden, der Geruch von Terpentin und Lavendelöl breitete sich aus. Behutsam legte sie den Dolch ans andere Ende des Tisches und zog gleichzeitig mit einer flinken Handbewegung den Lappen ein Stück weiter über ihr Aktgemälde. Auf Gwyneths betretenen Blick hin fügte sie rasch hinzu: „Du wirst dir noch deine schönen Hände verunstalten, Schwester.“
„Zum Teufel mit meinen Händen.“
In diesem Moment stürmten Duncan, ein lebhafter schwarzbrauner Terrier, und die schmächtige Adele, Brennas jüngere Schwester, in die Kammer. Auch Adele trug ein Festtagsgewand aus schwerem dunkelblauem Samt mit modisch geschlitzten Flügelärmeln, ihr Kopf zierte eine hohe Spitzhaube. Unter dem einen Arm hatte sie sich St. Paul geklemmt, ihren grauen Kater, in der anderen Hand hielt sie ihren Stock. Ihr lockeres schwarzes Haar bauschte sich um ihre Schultern und reichte bis zu dem bestickten goldenen Gürtel um ihre Hüften. Panthos, ihr riesiger grauer Mastiff, stand neben ihr und hechelte.
Sich schwer auf ihren Stock stützend, bahnte Adele sich ihren Weg durch die überall herumliegenden und -stehenden bemalten Holztafeln, wobei sie ihnen ebenso wenig Aufmerksamkeit schenkte wie Gwyneth. „Montgomery hat die Burg erreicht! Vater ist gefesselt und wird auf den Knien über den Burghof geschleift. Beeil dich! Du musst während der Trauung Gwyneths Stelle einnehmen und Montgomery heute Nacht töten.“
Brenna sah ihre beiden Schwestern abwechselnd an. Wie konnten sie das von ihr verlangen, nach allem, was sie durchgemacht hatte, ohne je eine von ihnen um Hilfe gebeten zu haben? Sie ließ den Blick über all die Gemälde von Heiligen und Engeln schweifen, die in den letzten Monaten ihres Eingesperrtseins ihre Gefährten gewesen waren. „Ich werde niemanden töten.“
„Du musst“, drängte Gwyneth. „Du bist die Einzige, die eine Chance hat.“
Der Mastiff bellte und Adele streckte die Hand aus, um ihn zu beruhigen. Ihr ovales Gesicht wirkte nachdenklich. „Unser Sieg beginnt mit Montgomerys Tod. Wir werden Pater Peter in den Brauttausch einweihen. Sobald du siehst, dass in der Kammer auf der gegenüberliegenden Seite des Bergfrieds die Kerze erlischt, musst du den Vollstrecker im Hochzeitsgemach ermorden. Das Ausgehen des Lichts wird für dich auch das Zeichen dafür sein, dass unsere Männer zur Stelle und bereit sind, die Burg zurückzuerobern und unseren Vater zu befreien.“
„Und dann würde dein Vater dich lieben“, flüsterte ihr eine dunkle Stimme in ihrem Kopf zu. „Dann wärst du keine Last mehr, sondern eine Heldin . “
„Das ist doch Wahnsinn.“ Aus Gewohnheit fasste Brenna nach dem großen Holzkreuz, das sie normalerweise um den Hals trug. Als sie merkte, dass das an diesem Tag nicht der Fall war, griff sie nach einem Pinsel und drehte ihn zwischen ihren Fingern. „Ich werde eine Braut Christi sein. Ich kann niemandem ein Leid zufügen.“
Gwyneth verdrehte die Augen. „Wie Vater schon sagte, du bist nicht für ein Leben im Kloster geeignet.“
„Trotzdem habe ich fest vor, mein Leben Gott zu weihen.“ Brenna zeigte auf die unzähligen religiösen Gemälde in der Kammer und hoffte, ihren Entschluss damit
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