Der Teufel von Garmisch
probierte den
Riesling. Für seinen Geschmack passte er perfekt. Er nahm noch einen Schluck
auf den Krois Ferdl und beschäftigte sich mit den Frühlingszwiebeln.
»Deck doch schon mal den Tisch«, sagte Burgl, während
sie die Fischpflanzerl in Weißbrotbröseln rollte.
Schwemmer ging ins Esszimmer und hatte gerade die
Teller in der Hand, als das Telefon klingelte.
Als er auf dem Display die Handynummer des Kollegen
vom Dauerdienst erkannte, ahnte er, dass der angenehme Teil des Abends vorüber
war.
* * *
Magdalena saß hinter ihrem Empfangstresen und machte
die Buchhaltung. Sie lächelte Kant professionell an, als er durch die
Eingangstür trat.
Er nickte ihr höflich zu. »Ist Ihre Bar offen?«,
fragte er.
»Selbstverständlich«, antwortete sie und wies zu der
offenen Tür, aus der leise Jazzmusik drang.
Sie stand auf und ging vor. Jemanden nur für die Bar
einzustellen ging beim besten Willen nicht, also musste der dienstschiebende
Portier den Service mit übernehmen. Vom Zeitaufwand war das leicht zu schaffen,
allerdings machte es die Personalauswahl schwer. Jemand, der ein erstklassiger
Portier und ein erstklassiger Barmann war, ließ sich kaum beeindrucken
von dem Gehalt, das Magdalena zu zahlen in der Lage war.
»Was darf ich Ihnen anbieten?«, fragte sie.
»Einen Fernet-Branca. Gekühlt, wenn möglich«,
antwortete Kant. Es versetzte ihr einen kleinen Schlag, als sei sie bei etwas
Verbotenem ertappt worden. Sie sah ihn an, aber sein Blick streifte durch den
Raum. Als er das große, schwarz gerahmte Porträtfoto sah, erschien eine steile
Falte auf seiner Stirn.
»Ist das von William Claxton?«, fragte er.
»Ja«, antwortete Magdalena.
»Ich erkenn ihn nicht«, sagte er mehr zu sich selbst
und starrte auf den hinter dem Rauch seiner Zigarette versteckten,
gedankenverlorenen Saxofonspieler. »Wer ist das?«, fragte er endlich.
»Zoot Sims«, antwortete Magdalena.
»Ah ja … Schönes Foto.«
Magdalena kannte den Namen Zoot Sims nur, weil das
Foto so teuer gewesen war. Sie hörte den Jazz ganz gern, den Andi auf dem MP 3-Player für die Bar zusammengestellt
hatte, aber sie wusste fast nichts darüber. Kant schien sie aber beeindruckt zu
haben.
Er setzte sich auf einen der Hocker und griff nach
seinem Fernet.
»Zum Wohle«, sagte er und kippte das Glas hinunter.
»Das Beste nach einem misslungenen Tag«, sagte er und lächelte kurz. »Haben Sie
auch ein Bier für mich? Wein geht nach diesem Zeug natürlich nicht mehr.«
Sie zählte die Biere im Angebot auf, und er entschied
sich für ein Weißbier.
Der Kölner aus Suite 2 und seine »russische Ehefrau«,
wie er sie nannte, kamen herein und bestellten wie immer zwei Vodka Martini.
»Pfurztrocken«, fügte der Mann hinzu und brach in
Gelächter über seinen Witz aus, so wie er es bis jetzt an jedem der vier Abende
getan hatte, die die beiden im »Lenas« zu Gast waren.
»Ihr Name ist Meixner, habe ich das richtig
verstanden?«, fragte Kant.
»Ja«, antwortete Magdalena und beschäftigte sich mit
dem Shaker. Sie schenkte die zwei Martini ein und servierte sie.
»Geschüttelt, nicht gerührt«, sagte der Mann,
ebenfalls wie jeden Abend, und prostete seiner Frau mit einem »Cheerio, Miss
Sophie« zu, auch das wie immer.
»Sind Sie zufälligerweise verwandt mit Melchior
Meixner?«, fragte Kant.
Magdalena sah ihn überrascht an. Sein Blick war kühl
und fragend. Es stand nichts darin, was irgendwie bedrohlich gewesen wäre, aber
sie bemerkte, wie sich die Härchen auf ihren Unterarmen aufrichteten, als sei
Gefahr im Anzug.
»Das ist mein Großvater«, antwortete sie. »Kennen Sie
ihn?«
»Nicht persönlich. Ich hab nur von ihm gehört.«
»So? Was denn?«
Kant nahm einen Schluck Bier und lachte in sich
hinein.
»Er soll einen starken Charakter haben«, sagte er
dann.
»Da haben Sie recht.«
Magdalena sah ihn forschend an. Was will dieser Kerl?,
dachte sie.
Kant schenkte ihr wieder ein Lächeln. »Andere nennen
ihn stur«, sagte er.
»Und? Ist das schlimm?«
Was geht dich das an, du arroganter Preiß?, war das,
was sie eigentlich gerne gesagt hätte. Ruhig bleiben, Lenerl, sagte sie sich
stattdessen und schaltete ihr Profilächeln an.
Der Mann aus Suite 2 erzählte seiner Frau einen sehr
alten Witz und lachte sich darüber halb tot.
»Er soll ein harter Kerl gewesen sein«, sagte Kant.
»Was meinen Sie damit?« Ihr Profilächeln erlosch. Es
gibt Grenzen, dachte Magdalena.
»Nun, während der alten Geschichte mit der
Weitere Kostenlose Bücher