Der Teufel von Garmisch
riss es sie in die
Höhe.
»Aber ich hab nichts anzuziehen!«, sagte sie.
* * *
Ein halbes Dutzend Batteriescheinwerfer erhellte den
Grund der Klamm, als sich der Mann von der Bergwacht langsam hinabseilte.
Schwemmer wusste nicht, wohin mit seinen Händen. Er
hasste tatenloses Zusehen, aber es gab schlicht nichts, was er hätte tun
können. Neben ihm stand der Chef der Bergretter. Manchmal brüllte er Kommandos
in sein Walkie-Talkie.
Der Mann am Seil ließ sich bis zu den Hüften in die
eiskalte Partnach hinab und wurde sofort von der Strömung erfasst und ins
Schwingen gebracht. Er versuchte ein ums andere Mal, den treibenden Körper zu
greifen, aber immer wieder entglitt er ihm. Eine schier endlose Minute
versuchte er vergeblich, ihn zu packen, dann endlich, als die Leiche auf dem
Rücken schwimmend an ihm vorbeitrieb, erwischt er mit zwei Fingern den unteren
Rand eines Hosenbeins, aber es gelang ihm nicht, seinen Griff zu stabilisieren.
Der träge Körper zog den Mann am Seil in die Richtung, die der Strudel vorgab.
Er versuchte, das Bein auch mit der anderen Hand zu greifen, doch bevor er es
richtig zu fassen bekam, drehte sich der Körper auf den Bauch. Das schmale
Stück Stoff entwand sich seinem Griff.
Doch nun war die Route des Leichnams in dem Strudel
gestört, und am Ende der nächsten Runde schien der Körper sich nicht sicher,
welchen Weg er nehmen sollte. Und dann ergriff ihn das Wasser und zog ihn
einfach weg.
Der tote Körper trieb in weniger als zwei Metern
Entfernung an Schwemmer vorbei, und genau in diesem Moment drehte die Strömung
ihn auf den Rücken. Die Gliedmaßen standen in absurden Winkeln von ihm ab, und
als sein Gesicht in das Licht der Scheinwerfer geriet, sah Schwemmer, dass er
keines mehr hatte.
Der Chef der Bergretter sah Schwemmer an und zuckte
die Achseln.
* * *
Es überraschte Schwemmer immer wieder, dass seine Frau
menschenleere Räume dazu bringen konnte, schlechte Laune auszustrahlen.
So wie die Küche, die er nun betrat. Das Haus war
dunkel, Burgl war im Bett, die Küche war aufgeräumt bis auf die eine Spur zu
auffällig platzierte leere Rieslingflasche.
Schwemmer sah an sich hinunter. Schuhe und Socken
hatte er an der Haustür liegen lassen. Seine feuchten Füße hinterließen Spuren
auf dem Steinboden, und es war bezeichnend, dass der ihm nicht kalt vorkam. Die
Hosenbeine waren voller Schmutz und Schlamm, das Hemd an den Ärmeln durchnässt,
und die Feuchtigkeit auf dem Rücken fühlte sich nach Schweiß an.
Er zog sich aus, warf die Sachen in den Flur und
stellte sich unter die heiße Dusche.
In seinem dicken Bademantel, mit Filzpantoffeln an den
Füßen, ging er ins Wohnzimmer und öffnete den Schrank, der ihren Schnapsvorrat
enthielt. Es war nicht viel, ein paar nicht angebrochene Geschenke, wie eine
Flasche Cointreau oder der Tequila, den ihm ein mexikanischer Kollege auf einem
Polizeikongress in München überreicht hatte. Schwemmer griff nach dem Chantré,
der einzigen Flasche, aus der ab und zu getrunken wurde. Er nahm einen
Schwenker, dann, nach kurzem Zögern, einen zweiten. Er schenkte ein und stieg
mit den beiden Gläsern die Treppe hoch.
Leise öffnete er die Schlafzimmertür.
»Bist du wach?«, flüsterte er und erhielt ein Brummen
zur Antwort.
Burgl schaltete ihre Nachttischlampe an. »Im nächsten
Leben heirate ich einen Finanzbeamten«, sagte sie.
»Schade«, antwortete Schwemmer. »Im nächsten Leben
wollte ich Steuerbetrüger werden. Hier …« Er reichte ihr einen Chantré.
Burgl sah ihn besorgt an. »So schlimm?«, fragte sie
und richtete sich halb auf. Weinbrand für sie gab es nur in Ausnahmefällen.
Schwemmer setzte sich auf den Bettrand und stieß mit
ihr an. »Schwierig und unschön«, sagte er. »Und kalt und nass.«
Er trank, sie benetzte nur ihre Lippen.
»Möchtest du drüber reden?«
Er lächelte. Er machte sich oft lustig über ihre
PsychologInnenphrasen, wie er es nannte, aber hier und jetzt war es genau die
richtige Frage.
»Morgen«, sagte er. »Beim Frühstück … Wie waren die
Fischpflanzerl?«
»Nicht so gut wie der Riesling«, sagte Burgl.
Er glaubte ihr kein Wort.
»Ich mach’s wieder gut. Morgen gehen wir richtig gut
essen.«
»Und wo?«
»Schaun mer mal.« Er gab ihr einen Kuss, dann trank er
seinen Chantré aus. Sie stellte ihr fast volles Glas auf dem Nachtisch ab.
»Weißt du was?«, fragte sie, als er im Bett lag.
»Hm?«, brummte er.
»Das mit dem Finanzbeamten wär glaub ich Quatsch.
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