Der Teufel von Garmisch
Tatwaffe.
Aber bisher kannte niemand seine Fingerabdrücke. Und auch eine DNS -Probe hatte er noch nie abgeben müssen. Vielleicht
gab es also eine Chance für ihn, davonzukommen.
Doch wenn er nicht die Polizei rief, dann musste er hier weg, bevor
er auffiel. Er hielt sich das Handydisplay vor die Augen. Fast vier Uhr. Bald
würde der erste Verkehr einsetzen.
Er starrte hinaus in die Dunkelheit. Ohne seine Brille konnte er
nicht fahren. Unmöglich in dieser Finsternis. Das bedeutete: Er musste noch
einmal ins Haus. Noch einmal in das Zimmer. Noch einmal zu der toten Sanne. Zu
ihren toten Augen.
Ich schaff das nicht, dachte er. Das ist zu viel.
Aber dann öffnete er die Fahrertür und stieg aus.
ZWEI
»Grüß Gott«, sagte Schafmann fröhlich, als er Schwemmers Büro
betrat.
Schwemmer brummte irgendwas zur Antwort.
Schafmann warf einen Blick auf seine Armbanduhr. »Es ist Viertel vor
zehn«, sagte er. »Die Morgenmuffelzeit ist vorbei.«
»Dann betrachte mich heute eben als Ganztagsmuffel«, antwortete Schwemmer.
»Na servus. Soll ich fragen, oder möchtest du nicht drüber reden?«
»Ich möchte nicht drüber reden.«
»Und wie lang wird das dauern?«
»Keine Ahnung.«
»Oha. Darf ich denn dienstlich werden?«
»Ich bitte darum.«
Schafmann setzte sich. »Krieg ich trotzdem einen Kaffee?«
»Wenn Frau Fuchs Zeit hat.« Schwemmer rief bei Frau Fuchs an und
orderte Kaffee für sie beide. Sie hatten Glück, sie würden umgehend versorgt
werden. »Haben wir denn mal was Aufregendes?«, fragte er, nachdem er aufgelegt
hatte.
»Na, den toten Hund halt.«
»Ja, ja«, sagte Schwemmer.
»Langsam übertreibt er’s.«
»Wieso er? Wissen wir doch noch gar nicht. Kann doch auch eine Sie
sein.«
Schafmann verzog das Gesicht. »Bist du jetzt auch noch
Ganztagsfrauenbeauftragter?«
»Ah geh. Was war das eigentlich für ein Hund?«
»Irish Setter.« Schafmann lachte leicht. »Ich kannte den übrigens.«
»Den Hund?«
»Ja. Der Besitzer wohnt nur drei Straßen von uns weg. Der ist dem
jeden zweiten Tag aus dem Garten getürmt und dann durch die Gegend geflitzt,
der Besitzer immer hinterher. Ich hab ihm mal geholfen, das Vieh einzufangen.
Einen derart schlecht erzogenen Hund hab ich noch nie erlebt.«
»Irish Setter? Die sind nicht gerade klein, oder?«
»Nicht wirklich. Dreißig Kilo hatte das Tier mindestens. Der
Besitzer hat wohl kürzlich erst den Zaun verstärkt, aber der Hund hat sich
drunter durchgegraben. Und gestern ist er nicht wiedergekommen. Erst in der
Nacht hat er ihn gefunden.«
»Ich weiß«, sagte Schwemmer.
»Woher?«
»Tut nichts zur Sache.«
Schafmann zuckte ergeben die Achseln. »Na jedenfalls: Er lag im
Gebüsch am Hang oberhalb von Sankt Anton. Tot, mit verfärbter Zunge.«
»Wie viele Verdächtige haben wir denn mittlerweile?«, fragte
Schwemmer.
Schafmann seufzte resigniert. »Alles in allem ein Dutzend. Aber ich
wüsste mindestens ein weiteres Dutzend Leute, die das Vieh gehasst haben.«
Frau Fuchs brachte ein Tablett mit Kaffee herein, stellte es mit
einem vorsichtigen Blick auf Schwemmer vor ihnen ab und eilte unter Vermeidung
jedes unnötigen Geräusches wieder hinaus.
»Jesusmaria, was hast du denn mit dem Füchschen angestellt?«, fragte
Schafmann, als sie die Tür lautlos hinter sich geschlossen hatte.
»Ihre Arbeit gab Anlass zur Kritik. Die habe ich geäußert«, sagte
Schwemmer.
Schafmann sah ihn mit schräg gelegtem Kopf an. »Und du bist sicher,
dass du nicht drüber reden willst?«
Schwemmer winkte ab. »Es tut mir leid. Ich werd mich noch bei ihr
entschuldigen. Und ich werd mich zusammenreißen.«
»Schön zu hören.«
»Also ein Dutzend Verdächtige.«
»Ein Dutzend Anschuldigungen. Aber was anderes haben wir nicht. Nie
ein Augenzeuge. Ob er Türschlösser verklebt, Autos zerkratzt, Öl auf
Scheibenwischer schmiert …«
»Das war für meine Begriffe das Mieseste bis jetzt. Da kommst du in
den Regen, machst den Wischer an und siehst überhaupt nichts mehr. Für mich ist
das versuchter Mord. Dagegen kannst du den Hund eigentlich vergessen.«
»Ja. Aber der Hund kriegt mit Sicherheit die bessere Presse«, sagte
Schafmann.
Schwemmer verzog das Gesicht. »Da hast du natürlich recht. Irgendwas
müssen wir unternehmen.«
»Ja. Jetzt haben wir zwar den Drohbrief, aber das ist nur ein
Computerausdruck. Dräger hat nichts Brauchbares darauf gefunden. Keine
Abdrücke. Winzige DNS -Spuren, aber das ginge wohl
wirklich zu weit, die abzugleichen.«
»Lässt
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