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Der Teufel Von Muenster

Der Teufel Von Muenster

Titel: Der Teufel Von Muenster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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begrüßte einer der Uniformierten die beiden Ankömmlinge. Er war Mitte fünfzig, hatte einen grauen Bart und wirkte etwas behäbig. Anna hatte das Gefühl, dieses Gesicht irgendwann schon einmal gesehen zu haben, aber das konnte auch eine Täuschung sein. Sie hatte oft mit Polizisten zu tun, und es gab viele in diesen Jahrgängen und mit ähnlich grauen Bärten.
    Haller runzelte die Stirn. »Wer sind Sie denn?«, fragte er.
    »Kriminalobermeister Willi Ternieden. Ich leite den Einsatz hier.«
    »Ach so.«
    »Dafür weiß ich aber, wer Sie sind – nämlich vom Kollegen in der ausgebeulten Lederjacke.«
    »Kommissar Raaben ist schon da?«
    »Ja. Schon eine geraume Weile.«
    »Und wo ist die Tote nun?«
    »Hinter dem Stand da vorne. Folgen Sie mir.« Bevor sie gingen, wandte sich Ternieden an Anna van der Pütten. »Sie sind wahrscheinlich die Gerichtsmedizinerin?«
    »Nein, Kriminalpsychologin. Ich heiße Anna van der Pütten.«
    »Oh, tut mir leid.«
    »Wie bitte?«
    »Es hat mir niemand gesagt, dass jemand wie Sie kommt. Ich sag immer, wenn schon einer tot ist, ist es eigentlich zu spät für den Einsatz eines Psychologen.«
    Anna war sich nicht sicher, ob das witzig gemeint war. Ternieden schien sich da selbst nicht so ganz im Klaren zu sein. Er wirkte jedenfalls etwas verlegen und unsicher.
    »Am besten, Sie beide sehen sich einfach mal an, was los ist«, meinte er schließlich. »Also, ich bin ja schon lange dabei und habe auch schon manches mit ansehen müssen. Von Unfällen auf der A 1 bis zu sonst was – aber das hier wird mir sicher einige Nächte lang den Schlaf rauben«, war er überzeugt.

    Die Tote lehnte an einem Anhängerrad. Anna fühlte einen Stich. Es war nicht der erste Tatort, an dem sie war, und wenn Haller mit seiner Vermutung recht hatte, dann war es noch nicht einmal der erste, für den dieser spezielle Täter verantwortlich war. Und trotzdem konnte Anna nicht verhindern, dass ihr ein Schauer über den Rücken lief. Es gab eben Dinge, an die konnte man sich trotz aller professionellen Distanz einfach nicht gewöhnen. Und vielleicht war das auch ganz gut so. Man durfte sich nur nicht so sehr von den grausigen Umständen einer Tat gefangen nehmen lassen, dass man seinen Job nicht mehr machen konnte. Wie so oft war die Dosis entscheidend. Etwas Einfühlung war gut, zu viel davon reines Gift, wenn es darum ging, der Wahrheit ein Stück näher zu kommen.
    Im Hintergrund hörte Anna wie aus weiter Ferne, wie einer der Polizisten über Funk fragte, wieso denn die Gerichtsmedizin noch nicht da sei. Wahrscheinlich lag es an einem der regelmäßig auftretenden Staus, die einen mit ziemlich großer Sicherheit festsetzten, wenn man versuchte, Münster zu bestimmten Zeiten zu verlassen oder wenn man umgekehrt von außen in die City wollte. Alles eine Frage des Timings. Und wenn Anna das, was sie vom Funkverkehr mitbekam, richtig interpretierte, hatten sich die Kollegen wohl den falschen Zeitpunkt und die falsche Strecke ausgesucht.
    Anna ging auf die Tote zu, der man eine furchtbare Wunde am Hals zugefügt hatte. Einen Schnitt wie mit einer Sense oder einem langen Messer gezogen. Ihre leeren Augen starrten ins Nichts. Die Tote trug eine dunkle Hose, eine weiße Bluse und einen dunklen Blazer. Die Kleidung war voller Blut, und der Schädel war sehr sorgfältig rasiert worden.
    Das letzte Opfer – Nummer vier der Serie des Barbiers – hatte Anna nur in der Leichenhalle gesehen. Was die Frauen anging, die der unbekannte Serienmörder zuvor umgebracht hatte, war sie auf das am jeweiligen Auffindungsort der Leiche geschossene Fotomaterial angewiesen gewesen. Aber dieses Material umfasste insgesamt mehrere tausend Fotos, die jedes Detail auf den Speicherchip bannten, das man seinerzeit für relevant gehalten hatte. Das Problem war natürlich immer, dass man zumeist erst später sagen konnte, was tatsächlich relevant war und was nicht. Jedenfalls hatte sich Anna tagelang diese Fotos angesehen, in der Hoffnung, dabei auf irgendein Detail zu stoßen, das ihr vielleicht etwas mehr über den Täter zu verraten vermochte. Jeder Mensch gab schließlich in jedem Augenblick durch sein Verhalten eine Stichprobe seiner Persönlichkeit ab. Eine Stichprobe, die bis zu einem gewissen Grad immer auch repräsentativ für das Ganze war und einem Rückschlüsse auf die Persönlichkeit erlaubte – sofern man diese Stichprobe richtig zu interpretieren wusste. Und das Verhalten eines Täters am Tatort war – darüber waren

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