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Der Thron der Welt

Der Thron der Welt

Titel: Der Thron der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Lyndon
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glaube nicht, dass er mich treffen wollte. Ich habe mich nur im falschen Moment zurückgebeugt und …» Ihm wurde schwindlig.
    Raul begutachtete die Wunde.
    «Wir müssen dich zurückbringen.»
    «Ist es schlimm?»
    «Sagen wir mal so: Du bist nicht mehr so hübsch wie vorher.» Dann fiel Raul auf, dass Wayland den Korb nicht mehr bei sich hatte. «Die Falken. Hast du sie verloren?»
    Wayland schüttelte den Kopf.
    «Sag mir nicht, dass das Nest leer war.»
    Wayland hob drei steifgefrorene Finger. «Zu jung. Nicht geeignet.» Dann schienen seine Knochen zu schmelzen, und er sank in Rauls Arme.
    Glum rollte die Seile auf. Er musterte das gerissene Seil und runzelte die Stirn.
    «Du hattest recht damit, dass es abgenutzt war», sagte Raul.
    Glum schnalzte mit der Zunge. «Nein, es war das neue, das gerissen ist.»
     
    Syth brach in Tränen aus, als sie Wayland ins Lager brachten. Die Grönländer legten ihn in ein Zelt und versammelten sich am Eingang. Doch bis auf Raul scheuchte Syth alle weg. Dann machte sie Wasser warm und wusch Waylands Gesicht ab. Die Wunde hatte wieder angefangen zu bluten.
    «Bring mir einen Spiegel.»
    Syth kam mit einer polierten Bronzescheibe wieder. Wayland hielt sie hoch und betrachtete sich. Die Hinterkralle hatte ihm mitten auf der Stirn eine klaffende Wunde geschlagen. Er tastete nach dem Beutel, in dem er seine Falknerausrüstung aufbewahrte, und kramte eine Knochennadel und Zwirn heraus, mit dem er frisch gefangenen Greifvögeln die Augen zunähte.
    «Wirst du sie nähen?», fragte Raul.
    «Sonst heilt sie nicht gut.» Mit zitternden Händen versuchte Wayland den Zwirn einzufädeln. Dann gab er auf und reichte beides an Syth weiter.
    Sie ließ den Zwirnsfaden durchs Nadelöhr gleiten und gab die Nadel zurück. Dann ließ sie sich auf die Fersen zurücksinken und biss sich auf den Zeigefinger. Doch Wayland streckte ihr die Nadel wieder entgegen. «Du machst es. Es ist nicht schwer. Ich habe einmal bei dem Hund eine Wunde genäht, als er noch jung war und einem Hirsch in die Quere gekommen ist.»
    «Das kann ich nicht.»
    «Soll ich’s mal versuchen?», fragte Raul.
    Wayland schloss die Augen. Dann öffnete er sie wieder. «Ich mache es selbst. Du hältst den Spiegel.»
    Wayland zog sich etwas hoch und ließ die Nadel über einem Ende der Wunde schweben. Das Fleisch war geschwollen und bleich, und es fiel ihm schwer, die Nadel richtig festzuhalten. Er brauchte mehrere Versuche, um die Spitze anzusetzen. Dann stieß er die Nadel durch den unteren Wundrand. Er zuckte zusammen vor Schmerz und das Ergebnis war ein falsch ausgerichteter Stich. Blut sickerte ihm in die Augen. Syth tupfte es mit einem Tuch ab.
    «Das geht nicht. Ich kann nicht richtig sehen.» Er streckte Syth die Nadel entgegen. «Bitte», sagte er. Er legte sich zurück. «Raul, du hältst meinen Kopf fest.»
    Syth beugte sich dicht über ihn, und er schloss die Augen. Die ersten Stiche waren nahezu unerträglich, doch dann schien er aus seinem Körper hinauszugleiten, und auch wenn er immer noch jeden Stich spürte, schien es ein anderer zu sein, der den Schmerz ertragen musste.
    Als er wieder in seinen Körper zurückkehrte, blickte Syth auf ihn herunter. Er hob die Hand und strich sich über die Stirn. «Fertig?»
    «Ja. Du warst sehr tapfer.»
    «Zeig es mir.»
    Sie hob den Spiegel hoch. Seine Stirn glich einer schwellenden Gewitterwolke, aber die Wunde war beinahe so säuberlich genäht wie ein Kleidersaum.
    «Ich wusste, dass du es gut machen würdest.»
    Sie versuchte nicht zu weinen. «Du solltest etwas essen.»
    Er rollte den Kopf von links nach rechts. Schon beim bloßen Gedanken an Essen hätte er sich am liebsten übergeben.
    «Dann schlaf.» Sie wollte sich zurückziehen, damit er ruhen konnte.
    Da kamen die Worte wie von selbst aus seinem Mund. «Syth, ich liebe dich.»
    Sie blieb stehen. «Wie eine Schwester?»
    «Wie eine Frau.»
    Sie glitt neben ihn und bedeckte seine Wangen mit sanften Küssen.
    Er hielt sie fest, sein Kopf lag an ihrer Schulter. «Was werden wir jetzt tun?»
    «Oh, Wayland, du kannst wirklich die dümmsten Sachen sagen. Wir tun, was alle Liebenden tun.» Sie legte ihm einen Finger auf die Lippen. «Sobald du dazu imstande bist.»

XXIV
    A m nächsten Tag war er wieder auf den Beinen, und am darauffolgenden Morgen nahm er die Suche nach besetzten Falkenhorsten wieder auf. In den Tagen darauf erkundete er die Fjorde zu beiden Seiten des Roten Kaps und fand vier weitere Nester. Keines von

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