Der Ring des Highlanders: Roman (German Edition)
1
Pine Creek, Maine, 22. Oktober
S ein eigener Schrei weckte ihn, als es ihn durch die schaurige Leere schleuderte, und unter Verrenkungen schlug er wild um sich, um etwas Festes zu finden, das ihm Halt bieten konnte. Doch um ihn war nur blendend weißes Licht und die entsetzliche Erkenntnis, dass er keine Gewalt über sein Schicksal hatte.
Michael McBain schlug die Augen auf, rührte sich nicht und lauschte der Stille, die nur durch seine eigenen erregten Atemzüge unterbrochen wurde. Langsam setzt er sich auf, wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht, ehe er seine Beine vom Laken befreite, die Decke zurückschlug und aufstand. Er ging zum Fenster, öffnete es, sog die frische Oktoberluft langsam und in kontrollierten Zügen ein und ließ sie beim Ausatmen über seine bebenden Muskeln streichen.
Ganze zwei Minuten mussten vergehen, bis sein Herz sich schließlich beruhigte und seine Gedanken sich klärten. Michael seufzte in die Nacht hinein. Die Welt war in Ordnung, entschied er, in die Dunkelheit starrend; die in Mondlicht getauchten Berge warfen noch immer ihre Schatten auf seine Farm, die Sterne schienen vom Firmament, sein Haus strahlte Frieden aus. Sein Sohn Robbie lag sicher in seinem Bett, und unten im Erdgeschoss schlief John.
Noch einmal rieb Michael sich erschöpft über sein Gesicht. Die Träume wurden immer detaillierter. Und kamen häufiger.
Sie setzten mit Maura ein – mit ihrer Beerdigung. Im Traum sah Michael sich immer an der Hügelflanke kauern, vor den MacKeages verborgen. Er beobachtete sie, wie sie seine Frau jenseits des Zaunes begruben, der die Sünder von den Gerechten schied.
Ian MacKeage bestattete seine Tochter in ungeweihtem Boden. Und als man Maura mit unheiliger Erde bedeckte und der Traum seinen Fortgang nahm, erlebte Michael wieder die Wut und das Gefühl völliger Hilflosigkeit, die er an jenem Tag verspürt hatte.
Sie hatte sich nicht selbst das Leben genommen – sie hatte sich im Schneesturm auf das brüchige Eis des loc verirrt. Sie war auf dem Weg zu ihm, war von ihrem Clan davongelaufen, um zu heiraten, damit ihr Kind mit dem Segen der Kirche zur Welt kommen konnte.
Und von da an änderte sich der Traum, und er durchlebte die Konfrontation mit Ian MacKeage an jenem Schicksalstag vor achthundert Jahren. Ians heftige Vorwürfe hatten Michaels Kummer noch vertieft. Er war fortgegangen, unfähig, sich vor Mauras Vater zu rechtfertigen.
Ja, damals hatte er sich entschieden, in den Krieg zu ziehen.
An diesem Punkt wechselte der Traum immer rasch zu einem gleann unweit der Burg der MacKeages. Greylen, Ian, Morgan und Callum MacKeage befanden sich auf dem Rückweg von Verhandlungen mit den MacDonalds, befriedigt, weil sie es geschafft hatten, sich der Hilfe des anderen Clans gegen die MacBains zu versichern.
So war es gekommen, dass Michael und seine fünf Krieger einen Angriff gewagt hatten – und hier verwandelte sich sein Traum in einen so fürchterlichen Albtraum, dass einem Krieger das Blut in den Adern stockte.
Das Unwetter hatte sie ohne Vorwarnung überfallen. Die Kampfgeräusche wurden zu einem irren Getöse schreiender Männer, verängstigt wiehernder Pferde und ohrenbetäubender Donnerschläge. Als Erstes erhob sich ein peitschender Wind, der vom Himmel herabfuhr, Bäume entwurzelte und Staub aufwirbeln ließ, der ihre Kehlen verstopfte. Blitze zuckten, Regen setzte ein und prasselte erbarmungslos auf sie nieder. Das Letzte, was Michael in Erinnerung blieb, war ein kleiner alter Mann auf der Felsklippe über ihnen, der dies alles voller Entsetzen mitansah.
Wenn er Glück hatte, erwachte er in diesem Moment, von seinen eigenen Schreckensschreien aus dem Albtraum gerissen. Er erwachte in seinem Bett, im einundzwanzigsten Jahrhundert und in Sicherheit, doch noch immer nicht imstande zu begreifen, wie zehn Männer und ihre Schlachtrösser achthundert Jahre vorwärts durch die Zeit katapultiert werden konnten.
Manchmal aber erwachte er nicht, und der Albtraum setzte sich fort und flachte zu einem weniger grausamen, wiewohl ebenso beunruhigenden Traum ab, in dem er am Tag der Sommersonnenwende vor acht Jahren auf dem Gipfel des TarStone Mountain stand.
In diesem Traum vertraute Michael die Asche von Mary Sutter, Robbies Mutter, einer sanften Brise an und sah zu, wie sie fortgeweht wurde. Er hielt ihren kleinen Sohn in den Armen, umgeben von den MacKeage-Kriegern, die sein Schicksal teilten, sowie von Marys Schwester Grace und Marys sechs Halbbrüdern. Auch Daar,
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