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Der Thron der Welt

Der Thron der Welt

Titel: Der Thron der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Lyndon
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Steuermann ins Gesicht. Brüllend bäumte er sich auf, der Pfeilschaft steckte in seinem Auge wie ein grauenvoller Zauberstab. In beinahe demselben Moment durchbohrte einer von Rauls Armbrustbolzen die Brust eines Ruderers, sodass der Mann den Riemen fahren ließ und Blut spuckte. Vallon schrie Herausforderungen, und seine Rufe wurden von Drogo und Fulk und einem halben Dutzend schwerterschwingenden Isländern aufgenommen.
    Der Anführer der Wikinger ließ seinen Blick über das Gemetzel schweifen. Seine Männer mussten rudern und waren daher nicht imstande, sich zu verteidigen. Mit solch einer mörderischen Gegenwehr hatte er nicht gerechnet. Er befahl seiner Mannschaft, das Rudern einzustellen. Die Bugwelle des Langschiffs versiegte. Wie ein fleischfressender Wasserkäfer, der in kurzen Sprüngen jagt und niemals seine Energie verschwendet, kam das Langschiff zum Stillstand.
    Die Isländer jubelten. Sie klopften Wayland und Raul auf den Rücken. Vallon sah zu, wie das Langschiff achtern zurückblieb, dann wendete und zu der aufgegebenen Knarr zurückruderte. Doch sie hatten zu lange gewartet. Die Knarr ging unter. Bevor die Wikinger dort waren, versanken die Dollborde in den Wellen, und Luftblasen stiegen aus dem Rumpf auf. Dann war das Schiff verschwunden.
    Als sich Vallon umdrehte, nahm er zum ersten Mal war, wie dicht sich die Flüchtlinge auf dem Deck der
Shearwater
drängten. Ihr Lächeln erstarb, als sie seinen Gesichtsausdruck sahen.
    «Wir sind die Wikinger noch nicht los», sagte er zu Raul. «Teile die Leute in Kämpfer und Passagiere ein. Wer ein Schwert in der Hand halten kann, geht nach Backbord, die anderen nach Steuerbord.»
    Helgi wollte sich in diese Musterung einmischen, doch Vallon beachtete ihn nicht. Als die zwei Gruppen gebildet waren, begutachtete er seine Einsatzkräfte. Zwölf Männer, die meisten mit Schwertern bewaffnet, bildeten die isländischen Kampfkräfte. Auf der Seite der Nichtkämpfenden befanden sich fünf Personen – die alte Frau und ihr Mann und zwei jüngere Frauen, von denen eine ihren Säugling auf dem Arm trug. Helgis Gefolgschaft hatte sich zusammen mit Drogo und Fulk abseits aufgestellt.
    Angespanntes Schweigen breitete sich aus, als Vallon auf sie zuging. «Weißt du nicht, auf wessen Seite du stehst?»
    «Ich werde von dir keine Befehle annehmen», sagte Helgi. «Und genauso wenig die anderen Isländer. Das sind meine Leute. Sie tun, was ich anordne.»
    «In diesem Fall suchst du dir am besten einen Uferstreifen aus, und dann lasse ich dich und deine Gefolgsleute dort von Bord gehen.» Vallon sah Drogo zornig an. «Von einem erfahrenen Soldaten hätte ich etwas Besseres erwartet.»
    «Ich muss mich auf Helgis Seite stellen.»
    «Dann musst du dein Glück eben mit ihm versuchen.»
    Drogo schluckte. Er nahm die Hand vom Schwertgriff und warf einen Blick über die Schulter auf das nahende Ufer. «Wir haben jetzt keine Zeit mehr, uns darüber zu streiten. Wir sind beinahe da.»

XXX
    D ie Schatten an der Küste wurden schon länger, als die
Shearwater
in die breite Flussmündung fuhr. Der Abstand zu dem Langschiff betrug mittlerweile eine Meile. Die Flut trug sie den Fluss hinauf, und die unbekannten Ufer rückten näher. Auf den ersten Meilen erinnerte viel an Island, eine hügelige Tundra in Herbstfarben, aus der kahle Granitfelsen aufragten. Was die Isländer erstaunte, waren die vielen umgestürzten Bäume, die in den Nebengewässern dümpelten und anscheinend von keiner Menschenseele verwertet wurden. Bald kamen sie an Birkenhainen und einsamen Fichten vorbei, die wie Obelisken am Ufer standen. Der Fluss war kaum noch eine Meile breit, als sie um eine Biegung fuhren und das Langschiff außer Sicht geriet. In diesem Bereich scharte sich der Baumbestand zu einem schütteren Wald zusammen, der sich bis zu fernen Hügelkämmen erstreckte. Nichts deutete auf eine Besiedlung hin. Es gab keinerlei Anzeichen dafür, dass jemals ein Mensch seinen Fuß in diese Ödnis gesetzt hatte.
    Als sie in das Waldgebiet fuhren, senkte sich langsam die Abenddämmerung herab. Sie ließen eine weitere Flussbiegung hinter sich und passierten zu ihrer Rechten die Einmündung eines Nebenflusses. Dann kamen sie an einer mit Gebüsch überwucherten Insel vorbei, und ein großes buckliges Tier brach aus dem Halbdunkel, durchquerte spritzend das seichte Gewässer am Ufer und verschwand. Einige Isländer bekreuzigten sich.
    Raul stand neben Vallon. «Wir sollten einen Ankerplatz finden, solange es

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