Der Thron der Welt
noch hell genug ist.»
«Suche nach einer versteckten Ausbuchtung des Flusses. Falls die Wikinger an uns vorbeifahren, können wir uns dann mit der Ebbe wieder aufs Meer hinausziehen lassen.»
«Dort?», fragte Wayland und deutete auf ein Nebengewässer zwischen bewaldeten Ufervorsprüngen.
«Wir sehen es uns an.»
Die
Shearwater
glitt, immer noch unter Segel, mit dem Schub der Flut ans linke Ufer. Vallon hielt flussabwärts Ausschau. Keine Spur von dem Langschiff. Dann hörte er das Plätschern von seichtem Wasser.
«Untiefe!»
Doch bevor Raul steuern konnte, lief der Kiel mit lautem Kreischen und einem heftigen Ruck auf Grund. Durch die Erschütterung stürzten beinahe alle Passagiere zu Boden. Vallon rappelte sich auf und stellte fest, dass die
Shearwater
fünfzig Schritt vom Ufer entfernt festsaß.
Wütend starrte er zum Himmel hinauf, als wüsste er, wo der Verursacher dieser Katastrophe zu suchen sei. Nein. Es war sein eigener Fehler. Er hätte das Segel einholen und vom Bug aus die Wassertiefe ausloten lassen sollen. «Raul, stell fest, wie groß der Schaden ist.»
Unruhig ging er auf und ab, während Raul im Laderaum war. Es dauerte nicht lange.
«Wir sind leckgeschlagen, und der Kiel hat sich im Grund festgefressen. Was es noch schlimmer macht, die Flut hat beinahe ihren Höchststand erreicht. Wir werden sie heute Nacht nicht mehr flottkriegen.»
Jeden Augenblick würden die Wikinger in Sicht kommen. Denk nach, sagte sich Vallon, denk nach.
«Setzt unser Beiboot aus. Bringt das andere längsseits. Rudert die Frauen und alle anderen, die nicht kämpfen können, ans Ufer. Dann ladet die Waren aus. Wayland, das übernimmst du. Nimm dir so viele Isländer zu Hilfe wie nötig. Raul und Garrick, ihr bringt die Pferde aus dem Laderaum.»
Die Leute rafften ihre Habseligkeiten zusammen und starrten ängstlich flussabwärts. Vallon wischte sich mit dem Handrücken über den Mund.
«Wir müssen das Schiff sichern, koste es, was es wolle», sagte eine Stimme neben ihm. «Wenn wir es verlieren, sind wir am Ende.»
Vallon sah Drogo an, der wie eine Schattengestalt neben ihm aufgetaucht war. «Schiff oder nicht Schiff, keiner von uns wird hier wegkommen, wenn wir uns die ganze Zeit nur gegenseitig belauern.»
«Das stimmt. Uns trennt ein blutiger Fluss, aber ich werde ihn erst überschreiten, wenn wir mit den Wikingern fertig sind.»
«Also unterstellst du dich meinem Befehl?»
Drogo zögerte. «Wenn ich deine Entscheidungen mittrage, unterstütze ich sie auch.»
«Aber nicht Helgi. Er wird bei jeder Gelegenheit versuchen, mich zu behindern.»
«Dann übermittle deine Befehle durch mich.»
Vallon sah Drogo nachdenklich an, bevor er wieder auf den Fluss schaute.
«Welchen Plan hast du?»
«Das Schiff bewachen und die Wikinger an Land in einen Kampf verwickeln. Wir haben fünf Pferde, sie dagegen gar keins. Das wiegt ein Dutzend Männer auf.»
Es war schon sehr lange her, dass Vallon mit einem erfahrenen Krieger eine Kampftaktik besprochen hatte. «Wir lassen die Schwertkämpfer an Bord und postieren Bogenschützen am Ufer. Ich glaube nicht, dass die Wikinger heute Nacht noch angreifen werden. Sie sind mit ihren Kräften am Ende und fühlen sich bestimmt vom Pech verfolgt, nachdem sie Männer verloren haben und vor ihren Augen zwei Beuteschiffe versunken sind.»
Wayland ruderte mit dem Beiboot wieder zum Schiff. «Alle Frauen und alten Leute sind an Land.»
«Als Nächstes die Ladung. Wenn du damit fertig bist, sieh dir die isländischen Bogenschützen an und bezieh mit ihnen am Waldrand Stellung.»
Raul und Garrick hatten einen behelfsmäßigen Ladebaum aufgestellt, um die Pferde aus dem Laderaum zu hieven. Helgi und seine Männer trieben ihre eigenen Pferde über die Reling.
Vallon wandte sich wieder an Drogo. «Sind deine Rippenbrüche geheilt?»
«Ich kämpfe, wenn ich zum Kampf gerufen werde.»
«Auf der richtigen Seite, hoffe ich.»
Alle Männer an Bord beobachteten die Flussbiegung stromab. Auf dem Fluss bildeten sich geheimnisvolle Strudel und verschmolzen wieder mit dem schwarzen Wasser. Die Ebbe hatte eingesetzt, und die
Shearwater
ragte hoch aus dem Fluss. Tief im Wald war der klagende Ruf einer Eule zu hören. Waffen klirrten. Stechmücken sirrten. Der Fluss schwappte.
«Wo bleiben sie denn?», murmelte Fulk.
«Sie kämpfen gegen die Strömung», sagte Drogo. «Vielleicht haben sie es auch für heute Nacht aufgegeben.»
«Sie werden bestimmt nicht ankern, bevor sie uns
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