Der Thron der Welt
gefunden haben», sagte Vallon. «Sie durchsuchen wahrscheinlich jedes mögliche Schlupfloch, weil sie denken, dass sie uns in eine Sackgasse gedrängt haben. Und in diesem Fall wollen sie dafür sorgen, dass wir nicht mehr entkommen.»
Eine Mücke stach ihn in die Wange. Er hob die Hand, um das lästige Insekt zu erschlagen, doch dann hielt er inne, gebannt von einem gespenstischen Licht, das sich am nördlichen Himmel ausbreitete. Vom Himmel herab entrollte sich ein zarter, blassgrüner Vorhang, dessen wogende Falten purpurfarbene Fransen trugen. Die Falten bewegten sich wie in einer lockenden Wellenbewegung, verblassten und blähten sich wieder in ihre Richtung.
«Was in Gottes Namen ist das?»
«Das Nordlicht», sagte Hero. «Die Isländer sagen, es sind die Flammen von Vulkankratern, die sich am Himmel spiegeln.»
Und in diesem überirdischen Schimmer tauchte das Langschiff auf. Es stahl sich um die Flussbiegung, sein Segel leuchtete in dem geisterhaften Licht, winzige Lichtpunkte blitzen an seinen Ruderblättern. Es kam näher, und jemand stieß einen Ruf aus, als er die
Shearwater
entdeckte. Die Wikinger ruderten noch ein Stück näher heran, dann hielten sie sich auf der Stelle. Gelächter und Triumphgeschrei hallte übers Wasser, als den Wikingern klar wurde, dass die Knarr auf Grund gelaufen war. Der Anführer stand im Drachenbug und brüllte eine langatmige Herausforderung oder ein Ultimatum herüber, bei dem die Isländer vor Angst wie Espenlaub zitterten.
«Sie haben schon von ihm gehört», sagte Raul. «Sein Name ist Thorfinn Wolfsatem, ein Heide, der wegen seiner Grausamkeit an der gesamten norwegischen Küste gefürchtet wird. Er verspeist die Lebern seiner Gegner. Stopft sie auf dem Schlachtfeld roh in sich hinein, um seinen Heldenmut zu nähren.»
Der Kriegsherr rief erneut etwas.
«Was sagt er?»
«Wir sollen unser Schiff, unsere Waren und unsere Frauen herausgeben, und er überlässt uns Gottes Gnade. Wenn wir Widerstand leisten, schneidet er den Blutadler in jeden Mann, der ihm lebendig in die Hände fällt.»
«Blutadler?»
«Eine grauenhafte Folter. Ich habe einmal gesehen, wie sie an einem Dieb in Gotland vollzogen wurde. Sie haben ihn mit dem Gesicht nach unten an Pflöcke gebunden, ihm neben dem Rückgrat die Rippen durchgehackt und ihm von hinten die Lungenflügel aus dem Körper gezogen. Die Isländer sagen, Thorfinn ist ein Berserker, ein Krieger, den nicht einmal tödliche Hiebe besiegen können. Schwerter können ihm nichts anhaben, und er geht durch Feuer, ohne sich zu verbrennen. Er kann mit bloßen Blicken eine Waffe stumpf werden lassen.»
Vallon schnaubte bloß.
«Wir beide wissen, dass das Unsinn ist», sagte Raul. «Aber die Isländer glauben es. Wenn uns Thorfinn jetzt angreift, springt die Hälfte von ihnen über Bord.»
«Dann zeig ihnen noch einmal, was du mit deinem Armbrustbolzen anrichten kannst.» Vallon drehte sich um. «Wayland, sorg für einen Pfeilhagel.»
Der Armbrustbolzen schlug mit einem dumpfen Geräusch ein. Pfeile schwirrten durch die Luft. Thorfinn aber lachte bloß. Noch mehr Pfeile zischten auf das Langboot zu, und ein Schmerzensschrei zeigte an, dass einer von ihnen getroffen hatte. Thorfinn rief etwas. Das Langschiff ließ sich mit der Ebbe zurückfallen.
«Wayland, du folgst ihnen und stellst fest, wo sie anlegen. Dort hältst du Wache. Nimm jemanden mit, der zurückkommt, um uns Bericht zu erstatten.»
Wayland machte sich zügig auf den Weg. Das Nordlicht begann zu verblassen. Einige Male schimmerte es noch schwach pulsierend auf und zeigte ihnen das flussab treibende Langschiff, bis es hinter der Biegung verschwand.
«Sie werden heute Nacht nicht wiederkommen», sagte Drogo. «Wir sollten ein Lager aufbauen.»
«Wir teilen den Rest der Nacht in zwei Wachen ein und lassen dafür jeweils sechs Männer an Bord. Die Übrigen sollen zusehen, dass sie etwas Warmes zu essen in den Bauch bekommen.»
Vallon stellte rund um das Lager Wachposten auf. Er bezweifelte, dass Thorfinn auf unbekanntem Terrain einen Nachtangriff wagen würde. Andererseits, so erklärte er Drogo, würde er selbst an der Stelle des Wikingers genau das tun, was am wenigsten von ihm erwartet wurde.
Drogo schüttelte den Kopf. «Sie werden sich ausruhen, bevor sie angreifen.»
Sie saßen bei einem knisternden Lagerfeuer und schlangen geröstetes Fleisch von dem Pferd hinunter, das Garrick getötet hatte.
Vallon wischte sich die fettigen Finger ab, stützte die
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