Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Thron der Welt

Der Thron der Welt

Titel: Der Thron der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Lyndon
Vom Netzwerk:
Kiew ins Gefängnis geworfen. Viele Leute glauben, dass seine Hexerei die Ursache für die Probleme hier im Land ist. Im Jahr darauf haben sich die Nomaden aus den Steppen des Südens die Verfeindung der Prinzenbrüder von Rus zunutze gemacht und uns mit einem großen Verband angegriffen. Als sie unsere Armee geschlagen hatten, brach in Kiew ein Aufruhr aus. Die Bürger haben Vseslav befreit und ihn zu ihrem Prinzen erklärt. Ein Jahr später wurde er wieder entthront und flüchtete zurück nach Polotsk, wo er heute noch Zauberformeln ersinnt und seine nächsten Schritte vorbereitet. Ich beschreibe ihn deshalb so genau, weil Ihr durch das unzivilisierte Gebiet müsst, dass an sein Fürstentum angrenzt. Eine so kleine Reisegesellschaft wie Eure könnte einfach in den Wäldern verschwinden, ohne dass es irgendjemand mitbekommt.»
    Vasili richtete sich sorgenvoll auf. «Verehrter Freund, meine dunklen Überlegungen halten Euch vom Essen ab. Darf ich Euch von den Poriggi anbieten? Hier, nehmt etwas von dem Würzfleisch. Es ist sehr gut, um den Appetit anzuregen.»
    «Es sind nicht Eure Bedenken, die mir den Appetit verderben. Es ist noch nicht lange her, da hat mir ein Wikinger den Bauch aufgeschlitzt. Die Wunde ist kaum verheilt. Mein Arzt hat mich angewiesen, zurückhaltend zu essen und auf Fleisch zu verzichten, bis ich mich vollständig erholt habe.»
    Darauf blinzelte ihn Vasili etwas verwirrt an, als habe er den Verdacht, von Vallon auf den Arm genommen zu werden.
    «Erzählt uns mehr vom Süden», sagte Vallon.
    Vasili legte einen Bernsteinlöffel auf den Tisch. «Nowgorod.»
    Dann nahm er einen silbernes Salzfässchen und stellte es in die Mitte des Tischs. «Kiew.»
    Auf die gegenüberliegende Seite des Tischs stellte er seinen goldenen Trinkbecher. «Konstantinopel.»
    Er tauchte seinen Finger in den Becher und zog von Nowgorod ausgehend eine feuchte Linie auf den Tisch. «Von hier aus überquert Ihr den Illmensee und fahrt die Lowat hinauf. Dieser Abschnitt der Reise wird sehr anstrengend. Wie ich schon sagte, führt der Fluss Niedrigwasser und kann nur mit kleinen Booten befahren werden. Und auch dann müsst Ihr für jedes Werst, das Ihr segelt oder rudert, mit zwei Werst rechnen, die Ihr Euer Boot schleppen müsst.»
    Vasili tippte zwischen Nowgorod und Kiew auf den Tisch. «Hier verlasst Ihr den Fluss, und es kommt der Überlandtransport, die sogenannte Große Portage, auf die andere Seite der Wasserscheide. Das dauert etwa sechs Tage. Der kürzeste Weg führt Euch zur Westlichen Dwina und dann, südlich von Smolensk, zum Oberlauf des Dnjeprs. An Eurer Stelle würde ich dort erst gar nicht in die Stadt gehen. Die Händler dort sind reine Verbrecher.»
    Erneut befeuchtete Vasili seinen Finger und zog eine Linie vom Dnjepr nach Kiew. «Zuerst ist der Fluss schmal und verläuft durch ein Waldgebiet. Aber bald kommen mehrere Zuflüsse, sodass er zwei Werst breiter wird. Von Kiew aus ist die Fahrt einfach – man schafft siebzig Werst am Tag – bis Ihr hier ankommt.» Vasili pochte mit dem Zeigefinger auf den Fluss. «Hier verläuft der Dnjepr durch eine enge Schlucht, und es folgen neuen Katarakte. An manchen Stellen werdet Ihr waten und Eure Boote mit Seilen um die Felsen herumziehen müssen. Dort gehen jedes Jahr viele Menschenleben und viele Schiffe zugrunde. Euch wäre der Untergang sicher, weil Ihr keinen Lotsen finden werdet, der Euch durch die Stromschnellen führt.»
    «Und warum nicht?»
    Wieder pochte Vasili mit dem Finger auf den Tisch. «Weil Ihr – selbst wenn Euch die Katarakte lebendig ausspucken – die größte Gefahr erst noch vor Euch habt.»
    «Die Petschenegen.»
    Vasili lächelte. «Also ist der Ruf dieser Steppennomaden schon bis über die Grenzen von Rus gedrungen. Nun, ich habe Euch Neues über sie zu berichten. Die gute Nachricht ist, dass die Petschenegen vor ungefähr zehn Jahren aus der Steppe im Süden vertrieben wurden. Die schlechte Nachricht ist, dass die Krieger, die sie besiegt haben, Barbaren genau desselben Schlags sind, nur noch grausamer und unersättlicher. Es sind diese Wilden, die vor vier Jahren Kiew bedroht haben. Kumanen nennen sie sich. Sie liegen am Ausgang der Wasserschlucht auf der Lauer, aber die Bewegungen ihrer Kampfverbände sind so unvorhersehbar, dass Ihr ihnen auf Kiewer Gebiet überall begegnen könntet. Hört mich an, Bruder. Die Kumanen sind so gefährlich, dass kein Händler es wagt, ihr Gebiet zu durchqueren, es sei denn, er reist in einem

Weitere Kostenlose Bücher