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Der Thron der Welt

Der Thron der Welt

Titel: Der Thron der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Lyndon
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Einäugige.»
    «Ein Priester?»
    «Philosoph, Geograph und Diplomat. Der größte Entdecker unseres Zeitalters. Er ist den Nil hinauf zu den Pyramiden von Gizeh gesegelt, hat die Tempel von Petra erkundet und die Manuskripte aus Pergamon gelesen, die Marc Anton Kleopatra übergeben hat. Er hat die Lapislazuli-Minen in Persien gesehen, die Einhornjagd in Arabien und die Nelken- und Pfefferplantagen Indiens.»
    «Du bist auch Grieche.»
    «Ja, Herr. Aus Syrakus in Sizilien.»
    Die Erschöpfung brachte Vallons Neugierde zum Erliegen. Das Feuer war beinahe ausgegangen. Er legte sich auf den schmutzigen Boden und deckte sich mit seinem Umhang zu. Doch der Schlaf wollte nicht kommen. Der Sizilianer intonierte einen Messgesang, die Totenklage vermischte sich mit dem dröhnenden Wind.
    Vallon stemmte sich auf einen Ellenbogen. «Das genügt. Dein Meister hat seinen Frieden gefunden. Nun lass mir auch meinen.»
    «Ich habe geschworen, ihn sicher zu beschützen. Und nun ist er vor Monatsfrist tot.»
    Vallon zog sich den Umhang übers Gesicht. «Er
ist
nun in Sicherheit. Schlaf jetzt.»
    Er hatte unruhige, wirre Träume. Als er aus diesem Dämmerschlaf voller Schreckbilder halb erwachte, sah er den Sizilianer bei dem Griechen kauern und ihm den Ring vom Finger ziehen. Den feinen Pelzumhang hatte er ihm schon weggenommen. Vallon setzte sich auf.
    Ihre Blicke trafen sich. Der Sizilianer trug den Umhang herüber und hängte ihn dem Franken über die Schultern. Vallon schwieg. Dann kehrte der Sizilianer in seine Ecke zurück und streckte sich stöhnend aus. Vallon stellte sein Schwert aufrecht auf den Boden und stützte sein Kinn auf den Knauf. Er starrte vor sich hin, blinzelte wie eine Eule, jedes Blinzeln eine Erinnerung, jedes Blinzeln träger als das vorangegangene, bis seine Augen schließlich geschlossen blieben und er unter dem Wüten des Sturms einschlief.
    Die Geräusche tropfenden Wassers und merkwürdiger, dumpfer Schläge weckten ihn wieder. Durch Spalten in den Wänden fiel Tageslicht herein. Eine Maus huschte von seiner Seite weg, wo der Sizilianer weißes Brot, Käse, ein paar Feigen und eine lederne Flasche hingelegt hatte. Vallon nahm das Mahl mit zur Tür und trat in den stechenden Sonnenschein hinaus. Schmelzwasserströme rauschten weiß schäumend die Felshänge herunter. Fußspuren führten als bläuliche Furchen durch den Schnee zu Tierpferchen hinüber. Ein Schneebrett stürzte von einem Überhang herab. Vallon spähte den Passweg hinauf und fragte sich, ob die anderen die sichere Zuflucht auf der Passhöhe erreicht hatten. Während seiner Rast dort oben hatte ihm ein Mönch eine Eiskammer gezeigt, in der über Winter die Leichen der Reisenden in der erfrorenen Körperhaltung abgelegt wurden, in der man sie aus dem Schnee gegraben hatte. Vallon setzte die Flasche an und schmeckte herben Rotwein. Wärme breitete sich in ihm aus. Als er gegessen hatte, reinigte er seine Zähne mit einem Zweig und spülte sich den Mund aus.
    Nur einen Speerwurf von der Hütte entfernt gähnte schwarz die Schlucht. Er ging bis an den Rand, knüpfte sich die Hosen auf und pisste hinunter, wohl wissend, dass er, wenn er in der vorangegangenen Nacht nur ein paar Schritte weitergegangen wäre, nun als zerschmetterte Masse aus Blut und Knochen so tief in der Erdspalte liegen würde, dass ihn nicht einmal die Geier entdeckt hätten.
    Zurück in der Hütte, entzündete er mit Flintstein und Stahl die Lampe und sammelte seine Besitztümer ein. Der Grieche lag da wie eine Grabplastik, die Hände auf der Brust gefaltet.
    «Ich wünschte, wir hätten Gelegenheit gehabt, uns zu unterhalten», hörte sich Vallon sagen. «Es gibt Dinge, für die Ihr vielleicht eine Erklärung gehabt hättet.» Ein bitterer Geschmack breitete sich in seinem Mund aus, und im Innersten fühlte er sich wie erstorben.
    Ein Rabe krächzte über der Hütte. Vallon verneigte sich vor dem Toten und blies die Lampe aus. «Möglicherweise begegnen wir uns ja wieder, wenn der Tod erst einmal seine tröstende Hand um
mein
Herz geschlossen hat.»
    Er stapfte zur Tür, zog sie auf und hatte den Sizilianer vor sich, der mit einem schmucken rotbraunen Pony und einem schönen grauen Maultier auf ihn wartete. Vallon musste über den Gegensatz zwischen der trauernden Miene des Jünglings und seinem fröhlichen Aufzug beinahe lächeln. Er trug einen Wollumhang mit einem Randbesatz aus blauem Satin, spitze Schuhe von lachhafter Ungeeignetheit und einen weichen, runden Hut, der

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