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Der Thron der Welt

Der Thron der Welt

Titel: Der Thron der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Lyndon
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Sie können nicht sicher sein, dass wir in den Marschen sind.» Raul schniefte und spuckte aus. «Bei allem Respekt, Hauptmann, Euer Arsch erregt ganz schön viel Aufmerksamkeit. Morgen rücken sie hier mit einer Armee an.»
    Vallon tauchte eine Hand ins Wasser. «Wann ist der Höchststand der Flut?»
    «Kurz vor Mitternacht», sagte Wayland.
    «Bis dahin haben wir das Schiff nicht fertig. Also müssen wir es bei der nächsten Flut versuchen. Wayland, du bleibst als Wache hier. Wenn es dunkel wird, erstattest du uns Bericht.»
    «Sie könnten einen Boten über Land zurückschicken und über Nacht hier warten», sagte Raul. «Wenn sie das tun, müssen wir uns unseren Weg aufs Meer freikämpfen.»
    Vallon fuhr sich durchs Haar. Er warf einen Blick auf den Ring, dann hielt er Wayland und Raul den Stein hin. Die Zukunft sah düster aus.
     
    Eine gute Weile, bevor es dunkel wurde, kehrten die Soldaten auf das Schiff zurück und ruderten vom Ufer weg. Als die Ruder auf dem schwarzen Wasser nur noch ein dunkler Pulsschlag waren, zog die Mannschaft das Segel auf, und das Schiff steuerte nach Süden. Wayland eilte zur Insel zurück.
    Dort erwartete ihn hektische Betriebsamkeit. Sie hatten die
Shearwater
in dem Wasserlauf aufgerichtet. Ohne Ballast lag sie eher auf dem Wasser als darin, und sie wies eine bedenkliche Schlagseite auf. Snorri und der Zimmermann richteten das Ruder ein. Sie hatten den Mast an Bord gehievt und zum Aufrichten bereit gemacht. Seine Spitze ragte schräg aus dem Laderaum heraus. Raul und einer der Männer aus den Marschen banden Maultiere an Taue, die mit dem Vordersteven verbunden waren. Die Übrigen schleppten die Ladung aufs Schiff.
    «Sie sind weg!», rief Wayland.
    Vallon lachte heiser auf. «Vollmond und Springflut. Heute ist die Nacht der Nächte.»
    «Braucht Ihr mich hier?»
    «Nein. Du hältst besser weiter Wache, damit du uns warnen kannst, falls sie kommen.»
    Wayland kehrte zur Küste zurück. Langsam wurde der Himmel nachtschwarz. Es war sehr still. Die Zeit verstrich. Wayland lauschte auf das Wellengeräusch des Meeres, das wie Atemzüge klang. Er schloss die Augen, und im Traum erschien ihm seine Schwester. Als er die Augen wieder öffnete, war sie immer noch da, bleich wie der Tod, in der Dunkelheit auf der anderen Seite des Flusses.
    «Syth?»
    Die Erscheinung verschwand. Wayland bekreuzigte sich. Er hatte kein menschliches Wesen gesehen, sondern einen Sumpfgeist oder ein Irrlicht.
    In den frühen Morgenstunden zog Nebel auf. Als es hell wurde, konnte man keinen Pfeilschuss weit über das glatte Meer sehen. Am Vormittag lichtete sich die graue Nebeldecke manchmal ein wenig, und ein schwacher Schimmer zeigte an, wo die Sonne stand. Dann wurde ein neuer Schleier herangetrieben, und alles sank in trübes Halbdunkel zurück. Der Nebel trug sämtliche Geräusche sehr weit. Wayland hörte flussauf frustrierte Rufe. Er überprüfte den Wasserstand, und in seinem Magen bildete sich ein Knoten.
    Als er ein Boot nahen hörte, sprang er auf. Raul tauchte aus dem klammen Nebel auf, Bart und Haar schlammverklebt. Er grinste Wayland an.
    «Weißt du eigentlich, was du für ein Glück hast? Während du dir hier in aller Ruhe einen runterholst, schuften wir uns im Matsch den Arsch ab.»
    «Bekommt ihr das Schiff nicht frei?»
    Raul spuckte aus. «Hatten es um Mitternacht flott, sind fünfzig Schritt flussab gerudert und auf Grund gelaufen. Haben es frei bekommen und sind dann wieder steckengeblieben. Snorri meinte, wir würden zu viel Wasser ziehen, also hat uns Vallon alle aussteigen lassen, damit wir uns in die Seile hängen und das Schiff ziehen.»
    «Sind die Leute aus den Marschen weg?»
    «Alle bis auf den Zimmermann und den Vogler. Und die haben sich erst beteiligt, als der Hauptmann sein Schwert gezogen hat.»
    «Wie weit seid ihr gekommen?»
    «Ich würde sagen, nicht mal bis zur Hälfte der Strecke.» Raul wischte sich einen Tautropfen von der Nase. «Wie sieht es mit der Flut aus?»
    «Bald erreicht sie den Höchststand.»
    Raul spähte in Richtung der Küste. «Bei diesem Nebel kommen sie nicht mit dem Schiff. Und bei Flut können sie auch nicht durchs Marschland. Ich schätze, wir haben noch ein bisschen Zeit.»
    Flussauf stieß jemand einen langgezogenen Schrei aus.
    «Das ist Vallon. Du gehst besser zurück.»
    Raul stieg in sein Boot. «Wayland?»
    «Was?»
    Raul stieß die Faust in die Luft. «Ein Vermögen oder ein Grab!»
    Wayland beobachtete, wie der Wasserpegel stieg. Ein

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