Der Thron der Welt
Land kommen. Drogo wird jedes Schiff einsetzen, das er kriegen kann.» An Snorri gewandt, fragte er: «Wie viele Schiffe kann er bekommen?»
«Mindestens ein Dutzend.»
«Habt ihr das gehört? Der Nebel wird uns nicht mehr lange Deckung bieten. Wir müssen das Schiff klar zum Segeln machen.»
Die Erkenntnis, dass trotz all ihrer Mühsal immer noch Drogo die Oberhand hatte, ließ jeden verstummen.
Vallon ging ans Heck. «Wir müssen zurück.»
Raul machte den Mund auf, um etwas zu sagen, doch dann besann er sich eines Besseren.
Sie ruderten im Stehen, kamen zwei Schritt voran und wurden einen wieder zurückgetrieben. Die
Shearwater
lag so hoch auf dem Wasser, dass die Riemen nicht sehr tief ins Wasser tauchten und das Ruder nicht eingesetzt werden konnte. Das Schiff pendelte wie ein Blatt in einem Wasserstrudel.
«Das Beiboot», sagte Vallon. «Wir nehmen das Schiff ins Schlepptau.»
Also kletterten sie in das Beiboot – Vallon, Wayland, Raul und der Zimmermann. Vallon hob seinen Riemen. «Wir müssen sie erst auf Kurs bringen. Auf drei … Beidrehen. Noch einmal. Sie kommt. Und jetzt gleichmäßig rudern. So ist es richtig. Haltet euch in der Fahrrinne, sonst laufen wir womöglich auf Grund. Raul, du musst dir nicht den Hals verrenken. Die Normannen werden es dich wissen lassen, wenn sie da sind.»
Wayland ruderte so angestrengt, dass seine Schultergelenke schmerzten und ihm der Schweiß über die Brust rann. Dann bogen sie in die Flussmündung ein.
«Wir haben’s gleich. Legt euch noch mal richtig ins Zeug.»
Sie landeten und zogen das Schiff auf die Sandbank. Von den Normannen war immer noch nichts zu hören oder zu sehen. «Lass deinen Hund Wache halten», befahl Vallon Wayland. Dann hasteten sie zu ihrem Ballast. Snorri hatte die Steine damals auf einer Torfbank oberhalb der Flutlinie abgeladen. Mit den Jahren hatten Gras und Schilf den Steinhaufen überwuchert. Vallon grub mit beiden Händen und förderte einen Stein so glatt wie ein Ei und größer als ein Männerkopf zutage.
«Holt Schaufeln», sagte er zu Snorri. «Hero und Richard, ihr grabt die Steine aus. Und du», sprach er an den Zimmermann gewandt weiter, «gehst an Bord und gibst die Steine an Snorri weiter. Wir anderen werden tragen.» Er klatschte in die Hände. «Los geht’s.»
Wayland hob einen Stein hoch und rannte schwerfällig los. Gleich darauf war er zurück, um den nächsten Stein zu holen. Nach der fünften Runde hörte er auf zu zählen. Alle verfielen in einen bestialisch anstrengenden Rhythmus. Hin und zurück quälten sie sich, traten eine schlammige Furche in den Torfboden, stolperten und stießen ungeschickt aneinander. Raul baute aus einem Brett und einem Sack eine Art Schlitten und zerrte fünf oder sechs Steine auf einmal zum Schiff. Als er einmal an Wayland vorbeikam, grinste er wie irrer Gnom. «Wir sind im Vorhof der Hölle gelandet, was?»
Wayland wurde langsamer. Vor ihm rutschte Vallon im Morast aus, ließ aufkeuchend seinen Stein fallen und hielt sich die Rippen. Wayland wollte zu ihm hasten, doch Vallon, das Gesicht schmerzverzerrt, schüttelte den Kopf.
Als der Steinhaufen kleiner geworden war und die
Shearwater
merklich tiefer im Wasser lag, erlaubte sich Wayland den Gedanken, dass sie es möglicherweise tatsächlich schaffen würden, und es wurde ihm klar, dass ein unmöglich erscheinendes Vorhaben durchgeführt werden konnte, wenn man unter der Führung eines starken Willens zusammenarbeitete.
Es musste noch mehr als eine Tonne Ballast übrig sein, als der Hund vom Strand herantrabte und sich mit zurückgezogenen Lefzen und gesträubtem Nackenfell neben ihn setzte. Alle hielten inne. Wayland setzte seine Last ab. Von der Küste drang ein schwaches Rauschen zu ihnen herüber, wie Wellen, die sich an einem fernen Strand brachen. Wieder wurde es hörbar – das Geräusch Hunderter Wildvögel, die gleichzeitig aufgeschreckt emporflogen.
«Das sind sie», sagte Vallon. «Alle an Bord.»
Noch bevor Wayland beim Schiff war, stieg ein weiterer Vogelschwarm auf, wogte über sie hinweg und verbreitete ohrenbetäubendes Geschrei. Ein paar der Vögel gingen an seichten Wasserstellen in ihrer Nähe nieder.
«Hauptmann!», rief Raul.
Wayland sah den Vogler und den Zimmermann ins Schilf verschwinden. Snorri wollte ihnen nach. «Lasst sie», befahl Vallon.
Sie stakten sich hastig vom Ufer der Sandbank weg.
«Weiter, wir sind noch nicht außer Gefahr.»
Aber sie hatten keine Kraft mehr, legten die Riemen weg,
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