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Der Tierarzt kommt

Der Tierarzt kommt

Titel: Der Tierarzt kommt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herriot
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vergeblicher Versuch, mich warmzuhalten.
    Die Farmer in den Dales haben es nie eilig, und ich hatte auch keine schnelle Rückkehr erwartet, aber nach einer Viertelstunde in der undurchdringlichen Finsternis stiegen bittere Gedanken in mir auf. Wo zum Teufel blieb der Kerl? Saß er vielleicht gemütlich mit George Hindley bei einer Tasse Tee oder spielten sie Domino? Die Beine zitterten mir, als die Öllampe endlich in der Tür erschien und Mr. Sowden mit seinem Nachbarn die Scheune betrat.
    »Guten Abend, George«, sagte ich. »Wie geht’s?«
    »So leidlich, Mister Herriot«, schniefte er. »Der verdammte – äh – äh – hatschi – Schnupfen.« Er schneuzte sich kräftig in ein rotes Taschentuch und sah mich aus tränenden Augen an.
    Ich schaute mich um. »Fangen wir gleich an. Wir brauchen einen Operationstisch. Könnten Sie ein paar Ballen Stroh aufschichten?«
    Die beiden Männer verschwanden und kehrten mit Strohballen zurück. Sie reichten in der Höhe gerade aus, aber die Oberfläche war zu wacklig.
    »Wir müßten ein Brett drauflegen.« Ich blies mir auf die erfrorenen Finger und stampfte mir die Füße warm. »Hat jemand eine Idee?«
    Mr. Sowden kratzte sich das Kinn. »Tja, wir werden ‘ne Tür nehmen.« Er schlurfte mit seiner Lampe in den Hof hinaus, und ich sah ihm zu, wie er eine Hälfte der Kuhstalltür aus den Angeln wuchtete. George half ihm, und während sie zogen und ächzten, stellte ich wieder einmal fest, daß tierärztliche Operationen mir eigentlich gar nicht so viel ausgemacht hätten, wenn die Vorbereitungen nur nicht so mühselig gewesen wären.
    Endlich taumelten sie in die Scheune zurück, legten die Tür auf die Strohballen, und der Operationssaal war bereit.
    »Jetzt heben wir ihn drauf«, keuchte ich.
    Wir hievten das widerstandslose kleine Tier auf den improvisierten Operationstisch und legten ihn auf die rechte Seite. Mr. Sowden hielt ihm den Kopf, während George Schwanz und Hinterteil ergriff.
    Ich legte rasch die Instrumente zurecht, zog Mantel und Jacke aus und rollte die Hemdsärmel hoch. »Verdammt! Wir haben kein heißes Wasser. Würden Sie welches holen, Mr. Sowden?«
    Jetzt hielt ich den Kopf und wartete wieder eine Ewigkeit. Dieses Mal war es schlimmer, denn ich hatte nichts an, und die Kälte fraß sich in mich hinein, während ich mir vorstellte, wie der Farmer in der warmen Küche herumtrödelte. Als er endlich mit dem Eimer erschien, schüttete ich ein Desinfektionsmittel hinein und schrubbte mir fieberhaft die Arme. Dann schnitt ich ein Stück Fell aus der linken Flanke und füllte die Spritze mit dem Betäubungsmittel. Aber als ich die Nadel einführte, ließ ich alle Hoffnung fahren.
    »Verdammt noch mal! Ich kann überhaupt nichts sehen.« Ich blickte hilflos auf die Öllampe, die an einem Rübenschneider baumelte. »Das Licht hängt falsch.«
    Ohne ein Wort verließ Mr. Sowden seinen Standort und wickelte einen Strick um einen Balken. Dann warf er das lose Ende über einen zweiten Balken, band es daran fest und hängte die Lampe direkt über das Kalb.
    So war es bedeutend besser, aber es hatte lange gedauert, ich war inzwischen völlig durchgefroren, und in meiner Brust brannte es. Die Braunschitiß meiner beiden Assistenten lauerte schon auf mich.
    Immerhin konnte ich endlich anfangen. Ich durchschnitt Haut, Muskeln, Bauchfell und Pansenwand in Rekordgeschwindigkeit, fuhr mit dem Arm tief in das offene Organ, durch die gärende Masse des Mageninhalts – und im Nu waren meine Sorgen verflogen. Ganz unten lagen Äpfel und Birnen in Schichten aufgestapelt; einige angebissen, aber die meisten ganz unversehrt. Wiederkäuer fressen gewöhnlich alles in großen Stücken und zerkleinern es später, aber kein Tier wäre mit dieser Menge je fertiggeworden.
    Ich schaute auf, zufrieden mit mir. »Genau, was ich dachte. Er steckt voll Obst.«
    »Hrrraach!« erwiderte Mr. Sowden. Husten gibt es in vielfältigen Formen, aber dieser hier war markerschütternd und kam von tief unten, von den Nagelsohlen der Stiefel direkt in mein Gesicht. Ich hatte nicht bemerkt, daß der Farmer mir so gefährlich nahe war – kaum ein paar Zentimeter von mir entfernt. »Hrrraach!« wiederholte er, und ein zweiter Schauer virusbeladener Feuchtigkeit sprühte mich an. Offenbar wußte Mr. Sowden nichts von Tropfinfektion, oder es scherte ihn nicht. Instinktiv drehte ich den Kopf in die andere Richtung. »Ha-ha-ha-tschumm!« prustete George. Es war zwar nur ein Niesen, aber es sandte einen

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