Der Tod aus dem Norden
und ich die Person erkannte, die ihn mit einem Schwert getötet hatte. Es war Freya!
Aufrecht wie eine Rachegöttin stand sie vor mir, starrte auf die Klinge, an der noch das Blut des Getöteten klebte.
Sie hatte Clive ermordet; er war der erste gewesen. Es lag auf der Hand, daß sie mich als zweites Opfer ausgesucht hatte.
Verdammt noch mal, hatte ich gewußt, daß der Fall in eine derartige Grausamkeit münden würde, ich hätte wohl das Schiff nicht geentert und wäre bei Suko geblieben.
Verständigen konnten wir uns nicht. In diesem Fall spielte es keine Rolle, denn ich erkannte in ihren Augen, was sie vorhatte. Die Krieger halten den Tod gesucht, ich lebte noch. So etwas konnte Freya nicht begreifen und fassen. Dem mußte sie einfach einen Riegel vorschieben. Sie wischte das Blut von der Klinge, indem sie diese an der Kleidung reinigte. Auf dem Fell blieb ein braunroter Streifen zurück. Konnte ich es überhaupt schaffen, sie vom Gegenteil zu überzeugen?
Nicht durch Worte, auch nicht durch Bitten. Diese Person war auf Mord eingeschworen.
Man soll Toten nichts Schlechtes nachsagen, aber Braddock hätte sich wirklich eine andere Lösung aussuchen können, als mich niederzuschlagen. Die Schwäche nahm meinen Körper immer noch gefangen. Es würde mir kaum in diesem Zustand gelingen, dem Schwertstreich auszuweichen.
Andere Menschen bemerkte ich nicht. Nur Freya und ich lebten, abgesehen von der Puppe, die in unserer Nähe stand und in deren Körper die Nadeln noch immer steckten. Ich konnte sie sehen. Dabei überkam mich wieder der Eindruck, einer lebenden Person gegenüberzustehen, was an den Schatten liegen konnte, die über ihre Gestalt tanzten.
Freya ging noch einen Schritt vor. Sie wollte so dicht wie möglich an mich heran. Okay, meine Beretta trug ich noch bei mir, aber ich fühlte mich einfach zu schwach, um an die Waffe heranzukommen. Um jetzt noch etwas reißen zu können, hätte ich che Pistole mit einer blitzschnellen Bewegung ziehen müssen.
Freya wirkte auf mich zu allem entschlossen. Sie streckte den rechten Arm vor. Diese Bewegung machte auch das Schwert mit. Ich erkannte, daß sich mir die Klinge gefährlich näherte. Sie zielte genau auf meine Brust. Wenn Freya die Richtung beibehielt, würde sie meinen Körper durchstoßen.
Ich verkrampfte mich, schielte auf das Metall und flüsterte ihr zu: »Das kannst du nicht machen, Mädchen. Sei nicht verrückt. Ich bin nicht gekommen, um zu sterben, ich…«
Sie gab mir keine Antwort. Aber in ihrem Gesicht malte sich etwas ab, was ich nicht verstand. War es ein Schrecken, war es vielleicht die Angst? So genau wußte ich es nicht. Ich tippte fast auf eine Irritation. Nur — was hatte sie verwirrt?
Sie drehte sich so weit um, daß ich ihr Profil sehen konnte. Es war so hart und kantig, wie das eines Mannes. Ihr Blick glitt über die kleine Bucht hinaus, um sich schießlich auf den Wellen des Meeres zu verlieren.
Dort lag das Drachenboot!
Es schaukelte am äußeren Rand der Brandung.
Jemand hatte den Segelmast aufgestellt, das Segel selbst zeigte sich gebläht, obwohl kein Wind in das Leinen fuhr.
Warum?
Freya schaute mich wieder an. Sie flüsterte einige Worte. Für mich hörten sie sich an wie ein Fluch. Dann ballte sie die freie Hand zur Faust und legte die Stirn in Falten. Schließlich hob sie die Waffe an und deutete auf das Schill.
Es mußte etwas Besonderes sein. Dieses Drachenschiff besaß ein Geheimnis.
An ihm zerrten Kräfte, die von mir nicht erklärt werden konnten. Sollten sie dazu beitragen, daß mein Leben gerettet wurde?
Ich wartete ab und merkte auch, daß meine erste Todesangst verschwunden war. Jemand anderer hatte die Regie übernommen. Ob eine Person oder eine Kraft, das wußte ich nicht. Das Schiff zitterte.
Über ihm zeigte der Himmel einen ungewöhnlichen Schein. Die Dunkelheit der Wolkendecke riß auf wie ein breites Maul und ließ eine klare helle Farbe erkennen.
Von allein und ohne Grund geschah so etwas nicht. Es mußte etwas dahinterstecken.
Ich sprach Freya an, obwohl sie mich nicht verstand. Aber ich wollte ihre Reaktion mitbekommen und deutete gleichzeitig gegen den dunklen Himmel.
Freya verstand mich nicht, was auch nicht nötig war, da ich nur ihre Reaktion beobachten wollte.
Sie hob das Schwert an, fuhr nicht herum, um mir die Klinge in die Brust zu stoßen, sondern zeigte mit der Spitze gegen den Himmel und auf das darunter befindliehe Drachenschiff. Lag es im Wasser oder schwebte es schon über
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