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Der Tod des Chefs/Mord mit doppeltem Boden

Der Tod des Chefs/Mord mit doppeltem Boden

Titel: Der Tod des Chefs/Mord mit doppeltem Boden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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sich zu uns.
    »Qué pasa?« fragte Frank wie vorher ich.
    »Ja, was gibt’s?« stimmte Vic ein.
    Diesmal zuckten wir alle vier die
Achseln, Jesse, Tony, Maria und ich.
    Holz splitterte, der Fahrer legte das
Stemmeisen weg und drückte die Front der Kiste abwärts. Isabel drehte sich mit
triumphierendem Blick nach uns um.
    In der Kiste war ein árbol de la
vida — ein Lebensbaum. Er war mindestens zweieinhalb Meter hoch und mehr
als einen Meter zwanzig breit. Der Baum ist in Mexiko seit uralter Zeit ein
Symbol des Lebens, des Todes und der Wiedergeburt, und viele der alten Bäume
sind von einer zarten Schönheit.
    Dieser besondere Baum war rosarot, lila
und grün; orangerot, türkisgrün und gelb; rot und blau mit goldenen
Glanzlichtern. Auf seinen Keramikzweigen saßen Vater, Sohn und Jungfrau Maria
und vermutlich auch der Heilige Geist. Adam und Eva, züchtig bedeckt mit großen
grünen Feigenblättern, lachten mich an. Die himmlischen Heerscharen mit Banjos,
Flöten, Harfen und Schwertern waren vertreten. Rechts und links grinsten
einfältig eine Sonne und ein Mond. Es fehlte auch nicht an Pferden, Kamelen,
Ziegen, Schweinen, Kaninchen, selbst ein Löwe mit einer goldenen Krone war da;
ebenso Rehe, Antilopen, Panther, Einhörner und weiße Tauben. In der Mitte,
zwischen Adam und Eva, lugte der Kopf einer Schlange aus dem Blattwerk, die
einen blau-gelben Apfel schmauste. Außerdem hatte der Baum auch noch Blüten,
und von jeder grellfarbigen Blüte ragten an langen Stielen rote Beeren heraus.
    Ja, in der Tat, dieser Baum war ein
Supersymbol. Womöglich glühte er bei Nacht auch noch.
    »Wer hat uns denn das angetan?«
flüsterte ich entsetzt. Jesse legte mir die Hand auf den Arm. »Leise.«
    »Nein. Ich möchte es wissen.«
    Er wies auf Isabel.
    Ich hätte es wissen müssen. Isabel kam
aus guter alter Familie und hatte einen hervorragenden Geschmack, aber sie
hatte einen Tick. Ihr starkes Faible für den modernen Lebensbaum unterstützte
mehrere Töpfer im Dorf Metepec, wo die Bäume überwiegend gefertigt werden. Da
sie auf dieses Gebilde so offenkundig stolz war, hatte ihn, vermutete ich, wohl
einer ihrer Protegés, verbrochen.
    Isabels Ausdruck des Triumphs wurde ein
wenig unsicher. »Es ist eine Überraschung für die Einweihung«, sagte sie.
»Gefällt er Ihnen?«
    Wir blieben alle stumm.
    »Pablo Gomez hat ihn gemacht«, fügte
sie hinzu. »Er ist der einzige seiner Art, extra für unser Museum gemacht. Es
wird nie einen gleichen geben.«
    Ich hatte also recht gehabt; Pablo war
ihr liebster Schützling, ein alter Mann, der diese Monstren produzierte wie ein
Bäcker seine Brötchen.
    Frank erholte sich als erster.
    »Er ist eine Pracht, Isabel. Wirklich
eine Pracht.« Frank wandte sich mir zu. »Ist er nicht großartig?«
    Seine drohende Miene sagte klar, daß er
eine gute Antwort von mir erwartete; das Museum war auf Isabels Spenden
angewiesen.
    »Er ist wunderschön, Isabel. Ein
herrliches Beispiel des árbol de la vida. Und so groß. Viel größer als
alles, was wir in unserer Sammlung haben.« Ich drehte mich zu Jesse um.
    »Ja«, bestätigte der rasch. »Er ist
wirklich großartig. Er muß ja ein Vermögen gekostet haben.«
    »Das Geld spielte dabei keine Rolle.«
Isabel machte eine wegwerfende Handbewegung. Ihre Unsicherheit war verflogen.
    »Ich kann Ihnen nicht sagen, wie sehr
wir Ihre Überraschung zu schätzen wissen, Isabel«, behauptete Frank und wandte
sich diesmal Tony zu.
    Tony verzog das Gesicht zu einem
typischen Grinsen.
    »Ich mache viele Fotos und mache neues
Material für die Pädagogik.«
    Ich sah ihn stirnrunzelnd an. Was zum Teufel
sollte das nun wieder heißen?
    »Er ist schön, nicht wahr, Maria?« fuhr
Frank unterdessen fort.
    Maria warf ihm einen mürrischen Blick
zu und richtete dann ihren Blick mit einem strahlenden Lächeln auf Jesse. Frank
war sein Ärger deutlich anzumerken.
    Isabel aber war sichtlich glücklich.
    »Ja, das Geld spielte bei meiner
Entscheidung wirklich keine Rolle«, wiederholte sie. »Für die Einweihung
unseres neuen Hauses ist mir nichts zu teuer.«
    Ein schrecklicher Verdacht beschlich
mich. Erwartete Isabel etwa, daß wir diese — Kreation für das Fest am 5. Mai
aufstellen würden?
    »Und beim Presseempfang wird er sich
auch sehr gut machen«, fügte sie hinzu.
    »Ich — « In heller Panik sah ich Frank
an. Aber er tat so, als wüßte er gar nicht, was los war. »Ich — « Ich räusperte
mich. »Isabel, ich glaube nicht, daß wir ihn bis dahin

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