Der Kindersammler
Sabine Thiesler
Der KINDERSAMMLER
Das Buch
Anne und ihr Mann Harald erleben den Albtraum aller Eltern: W ä hrend eines Toscana-Urlaubs verschwindet ihr Kind beim Spielen spurlos, und sie m ü ssen zwei Wochen sp ä ter unverrichteter Dinge nach Hause fahren. Zehn Jahre danach kehrt Anne an den Ort des Geschehens zur ü ck, um herauszufinden, was damals passiert ist. In einem einsamen Tal kauft sie eine romantische Wasserm ü hle von einem charismatischen Deutschen. Der Mann fasziniert sie, und sie vertraut ihm bereits nach kurzer Zeit blind. Sie wei ß nicht, dass dieser charmante, freundliche Mann ein Massenm ö rder ist, der sowohl in Deutschland als auch in Italien mehrere Kinder get ö tet hat und sich seit Jahren unbehelligt in den toscanischen Bergen versteckt h ä lt.
Roman
Die Autorin
Sabine Thiesler, geboren und aufgewachsen in Berlin, studierte Germanistik und Theaterwissenschaften. Sie arbeitete einige Jahre als Schauspielerin im Fernsehen und auf der B ü hne und war Ensemblemitglied der Berliner » Stachelschweine « . Au ß erdem schrieb sie erfolgreich Theaterst ü cke und zahlreiche Drehb ü cher f ü rs Fernsehen (u.a. Das Haus am Watt, Der Mörder und sein Kind und mehrere Folgen f ü r die Reihen Tatort und Polizeiruf 110). Der Kindersammler ist ihr erster Roman.
SABINE THIESLER
DER KINDERSAMMLER
WILHELM HEYNE VERLAG M Ü NCHEN
Verlagsgruppe Random House FSC-DEU-0100
Das f ü r dieses Buch verwendete FSC-ertifizierte Papier München Super liefert Mochenwangen Papier.
13. Auflage
Vollst ä ndige Taschenbuchausgabe 10/2006 Copyright © 2006 by Sabine Thiesler
Copyright © 2006 by Wilhelm Heyne Verlag, M ü nchen, in der Verlagsgruppe Random House GmbH Printed in Germany 2007
Umschlagillustration: © Yellow Dog Productions/Image Bank/ Getty Images Umschlaggestaltung: Fistle Grafik-Design, M ü nchen Satz: Leing ä rtner, Nabburg
Druck und Bindung: GGP Media GmbH, P öß neck ISBN: 978-3-453-02454-0
http://www.heyne.de
Danke, Klaus, f ü r deinen Rat und deine Liebe.
PROLOG
Toscana 1994
Die Atmosph ä re im Tal war eigent ü mlich. Alle Fenster und T ü ren der beiden H ä user waren geschlossen, was Allora noch nie erlebt hatte. Weder der Mann
noch die Frau waren zu sehen. Aber als sie ganz still war und den Atem anhielt, h ö rte sie ein leises Wimmern, beinah wie das Jaulen einer Katze.
Allora bohrte in der Nase und wartete ab. Das Jaulen verstummte manchmal f ü r wenige Minuten, setzte aber immer wieder ein. Als sie ein hohes, schrilles Quietschen h ö rte, zuckte sie zusammen und fing an zu zittern. Angst kroch ihr langsam den Nacken empor. Was war da los? Sollte sie einfach hingehen und anklopfen? Aber sie wagte es nicht. Der Engel war kein Mensch, bei dem man einfach auftauchen und » Allora « sagen konnte. Der Engel hatte etwas an sich, vor dem sie zur ü ckschreckte. Als w ä re er mit einem unsichtbaren Stacheldraht umwickelt, der einen verletzte und einem die Haut aufschlitzte, wenn man zu nahe kam.
Und zum ersten Mal kam ihr der Gedanke dass der Engel vielleicht gar kein Engel war.
Die Sonne war l ä ngst untergegangen, und die Nacht brach herein. Im Wald wurde es schnell dunkel, viel schneller als auf freiem Feld. Allora dachte noch nicht an den R ü ckweg, sie starrte unverwandt in Richtung M ü hle. Die Laternen links und rechts neben der T ü r brannten nicht, und auch im Haus war alles dunkel.
Als Allora das Haus kaum noch erkennen konnte, wurde ihr klar, dass sie die Zeit vergessen hatte, jetzt konnte sie nicht mehr zur ü ck. Sie w ü rde im Wald ü bernachten m ü ssen.
Pl ö tzlich h ö rte sie einen Schrei. Einen lang anhaltenden Schrei, der gar nicht mehr enden wollte. Und in diesem Moment wusste Allora, dass das keine Katze war, sondern ein Mensch.
Allora hielt sich die Ohren zu, bis der Schrei verstummte. Danach war es totenstill. Kein Laut drang mehr aus der M ü hle zu ihr her ü ber. Sie rieb sich die Augen, die brannten, als h ä tte sie zu nahe am Feuer gesessen und zu lange in die Flammen gestarrt.
Sie war wie gel ä hmt. Sa ß in ihrem Erdloch, unf ä hig, sich zu bewegen. Langsam kroch ihr die K ä lte in die nackten F üß e und die Beine hinauf. Allora w ü hlte sich noch tiefer in ihr Erdloch und h ä ufte Zweige, Bl ä tter und Moos um sich herum, alles, was sie erreichen konnte, ohne ihre Kuhle zu verlassen. Dann umschlang sie ihre Beine mit den Armen, legte ihr Kinn auf die Knie und wartete weiter. Ihr Atem ging gleichm äß ig, ihr
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