Der Tod des Chefs/Mord mit doppeltem Boden
für Frank endete es tödlich.«
»Schön, sie hatte vielleicht nicht vor,
Frank zu töten, aber wie war es denn mit dir?« Die Augen meiner Mutter blitzten.
»Dich hätte sie doch da draußen auf dem Feld kaltblütig sterben lassen.«
»Ich glaube, da wußte sie gar nicht,
was sie tat. Sie schlug mich nieder, weil sie den Kopf verlor. Wahrscheinlich
glaubte sie in ihrer Panik, sie hätte mich getötet. Es war alles sehr
ungeschickt.«
»Du bist zu nachsichtig.«
»Vielleicht. Aber weißt du, wenn sie
nicht so gehandelt hätte, wäre ich vielleicht nie darauf gekommen, daß sie
Frank ermordet hatte.«
Carlos beugte sich interessiert vor.
»Jetzt bin ich aber gespannt. Wie sind
Sie denn auf sie gekommen?«
»Erstens wurde mir klar, daß sie die
einzige Person war, der ich von meinem Fund im Keller erzählt hatte. Dabei
sagte ich ihr auch, daß ich zunächst geglaubt hatte, der Mörder hätte sich über
Nacht im Museum versteckt. Dadurch kam sie wahrscheinlich auf den Gedanken,
sich tatsächlich dort zu verstecken und die Kunstgegenstände nach Einbruch der
Dunkelheit wegzubringen. Sie mußte sich verstecken, weil sie sonst nicht wieder
hineingekommen wäre, nachdem ich die Alarmanlage eingeschaltet hatte. Sie war
die einzige, die wußte, daß ich die Kunstgegenstände gefunden hatte, und
fürchtete, daß ich damit zur Polizei gehen würde. Aber vor der Polizei hatte
sie verständlicherweise Angst. Sie bildete sich wohl ein, sie könne das Museum vor
dem Ruin retten — und sich selbst auch.«
»Aber ist das nicht ein ziemlich
unzureichender Grund, sie zu verdächtigen?« meinte Carlos.
»Für sich allein, ja. Aber es gab auch
einen Hinweis, den ich schon gesehen hatte, ehe ich von Franks Ermordung
wußte.«
»Was denn?« fragte meine Mutter.
»Ein Schmutzfleck auf Isabels
Tenniskleid. Als ich sie das letztemal im Museum sah, war er noch nicht da,
aber als ich sie später am Abend im Supermarkt traf, fiel er mir auf. Und er
blieb mir im Gedächtnis, weil das für Isabel etwas ganz Ungewöhnliches war.«
»Was hat der Schmutzfleck mit Franks
Ermordung zu tun?«
»Isabel holte sich den Schmutzfleck bei
ihrem geheimnisvollen Abgang aus dem abgeschlossenen Museum — der uns allen so
rätselhaft war.«
»Ah ja«, sagte Carlos. »Und wie ist sie
hinausgekommen?«
»Folgendermaßen: Nur zwei Leute hatten
Schlüssel zur Alarmanlage und zum Hoftor. Meine hatte ich bei mir, folglich
hätte Isabel Franks Schlüssel nehmen müssen, um die Alarmanlage wieder
einzuschalten. Aber die hingen am nächsten Morgen im Museum an ihrem Platz.
Irgendwie mußte Isabel sie also zurückgebracht haben.«
»Aber wenn sie noch einmal
hineingegangen ist — «
»Sie ist nicht noch einmal
hineingegangen. Sie ging durch eine der Nebentüren hinaus; das war aus der
Position des Schlosses der Alarmanlage zu entnehmen. Wäre sie aber durch die
Tür der Laderampe hinausgegangen, hätte sie den Schlüssel nicht zurückbringen
können. Es muß also die Tür zum Innenhof hinter Franks Büro gewesen sein. Sie
ging durch die Tür hinaus und schaltete die Alarmanlage wieder ein. Dann ging
sie zum Tor und sperrte das Vorhängeschloß auf. Dann ging sie wieder in den
Hof, nahm eine Latte von einer der neuen Azaleen, hängte den Schlüsselbund über
die Spitze und schob ihn durch das Gitter vor dem Bürofenster hinein und auf
den Haken an der Wand.«
»Aber«, warf Carlos ein, »wäre es Ihnen
denn nicht aufgefallen, wenn das Fenster am nächsten Morgen offen gewesen
wäre?«
»Ja. Es war nicht offen.«
»Aber wie — ?«
»Die Fenster sind alt«, erklärte ich,
»und die Riegel locker. Isabel überprüfte das wahrscheinlich alles, ehe sie
hinausging. Wenn man das Fenster kräftig zuschlägt, fällt der Riegel von selbst
herunter. So machte sie das. Dann brauchte sie nur noch durch das Tor zu gehen
und das Schloß hinter sich zuzudrücken. Es war, als wäre sie nie dagewesen.«
»Aber wie haben Sie das
herausbekommen«, fragte Carlos.
»Anhand von drei Fakten. Erstens fehlte
die Latte der Pflanze direkt vor dem Fenster. Sie war durch den Rost über dem
Kellerfenster gefallen. Isabel war wahrscheinlich nervös und ließ sie fallen
und bekam sie nicht wieder heraus. Zweitens schlug sie das Fenster ein wenig zu
kräftig zu, und die Scheibe bekam einen Sprung. Ich wußte, daß er neu war, weil
wir das Gebäude vor unserem Einzug auf solche Schäden inspiziert hatten.
Drittens war Isabel ein wenig
ungeschickt, als sie den Schlüsselbund wieder
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