Der Tod des Landeshauptmanns
das sorgte damals nur für kurzen Streit, David traf bald darauf Eleanor und die emotionale Ordnung war wieder hergestellt. Selbst als sie dann ihre eigenen Wege gingen und einander für ein paar Jahre aus den Augen verloren, schlossen sie, als sie beide im Großraum Washington beruflich tätig wurden, sofort wieder dort an, wo sie zuvor aufgehört hatten.
Sie begrüßten einander freundlich, David erzählte ihm vom Mustang, das war so frisch in seinem Kopf, er musste es einfach loswerden. „Hast du mich hierher bestellt, damit wir über Autos sprechen?“, fragte Peter, halb im Scherz, denn im Anruf vor einer Stunde wollte David nicht einmal andeuten, warum er ihn unbedingt treffen wollte. Und auch jetzt hielt er sich noch zurück. Ein so heikles Thema, dessen war sich David bewusst, konnte man nicht – quasi im Vorübergehen – auf der Straße besprechen.
Jasmin legte das Papier zur Seite. Sie stützte den Kopf auf ihre Hände und schloss die Augen. Vor einem Jahr hatte sie mit Stefan eine USA-Reise gemacht. Lange waren sie zuhause vor dem Computer gesessen und hatten alles geplant. Und jetzt fiel es ihr wieder ein: Ursprünglich wollten sie nur nach New York – endlich einmal die Wolkenkratzer sehen und den Central Park. Sie hatten Glück, das Wetter war strahlend, im Park waren die Bäume gerade dabei, die schönsten Herbstfarben anzulegen, sie waren erstaunt, wie riesig diese „grüne Lunge der Stadt“ war. Und auch fürs Shopping hatten sie Zeit eingeplant: Sie hatte vorher extra noch einen New-York-Führer gekauft, „Bloomingdale’s“ wurde besonders empfohlen, und sie war auch begeistert von der Parfümerieabteilung: ein halbes Stockwerk duftend nach den besten Seifen, Badeölen, Eaux de Toilette.
Von New York aus wollten sie ursprünglich in den Nordosten – sie hatten so viel vom „Indian Summer“ gehört und gelesen – nach Boston und dann weiter in den „Arcadia National Park“. Aber Stefan wollte unbedingt auch nach Washington, er trommelte ihr geradezu ein, dass eine Reise in die USA ohne Besuch der Hauptstadt das Bild nicht komplett machen würde. Jasmin hatte freilich immer nur Negatives über Washington gehört, so viele Menschen würden dort täglich ermordet, dass sie einfach keine Lust hatte, als Opfer in der Zeitung zu stehen. Sie hatte sich sogar schon die Schlagzeile in der „Washington Post“ ausgedacht: „Austrian Journalist Victim of Gun Violence“. Doch Stefan hatte sich durchgesetzt: Sie fuhren mit dem „Amtrak“ von New York in den Süden: Wenn sie aus dem Fenster blickten, waren sie immer wieder erstaunt, wie viel Schmutz neben den Schienen lag und durch wie viel verkommene Vorstädte sie fuhren, bevor sie in Washington ankamen.
Georgetown schien es Stefan besonders angetan zu haben: Er sah sich nicht nur die beiden Hauptstraßen M-Street und Wisconsin Avenue genau an – Jasmin hatte nichts dagegen, schließlich gab es dort interessante Geschäfte, die all das anboten, was sie sich vorgenommen hatte nach Hause mitzunehmen (und vieles, was sie – ungeplant – dann auch noch kaufte). Auffällig war nur, dass Stefan unbedingt auch durch die Seitenstraßen gehen wollte, wo es keine Läden gab, sondern wo vorwiegend Einfamilienhäuser und die eine oder andere Kirche standen. Und was sie am meisten verwundert hatte, war, dass Stefan fotografierte, wo sie nichts Besonderes entdecken konnte: eine ganz normale Kreuzung, und – jetzt erinnerte sie sich wieder – die eine Straße, in der die alten Straßenbahnschienen zwischen den groben Kopfsteinpflaster-Steinen steckten.
Dennoch: Am zweiten Tag fühlte sie sich schon richtig wohl. Sie verstand nicht, wer oder was ihr Angst gemacht hatte. Die Menschen waren freundlich, und wenn Stefan einmal den Eindruck vermittelte, er hätte sich verlaufen, war gleich jemand zur Stelle, der ihnen den Weg zurück in die M-Street zeigte. Dort hatte es ihr besonders „Dean & deLuca“ angetan: In diesem Spezialitätengeschäft gab es Lebensmittel aus aller Herren Ländern, sogar eine Flasche Original Kürbiskernöl aus der Steiermark hatten sie entdeckt. Wenn sie vom langen Sightseeing müde waren, legten sie dort eine Pause ein, setzten sich unter das großzügige Vordach und tranken einen Kaffee, oder jedenfalls ein Getränk, das unter dem Namen Kaffee verkauft wurde.
„Kaffee“ – Jasmin löste sich von ihren Reiseerinnerungen, ging in die Küche und schaltete die Kaffeemaschine ein. Sie drehte das Einstellrad ganz nach rechts
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