Der Tod des Landeshauptmanns
– alles andere würde bei ihren Geschmackssensoren nur Widerstand auslösen – und ließ die beinahe schwarze Flüssigkeit in die Tasse rinnen. Sie nahm einen Schluck, und als hätte die Brühe einzelne Gehirnzellen aufgeweckt, kam ihr die Situation mit dem Inspektor bei Stefans Haus in Erinnerung.
„Ich brauche einen Krampen oder etwas Ähnliches!“ Bugelnik bemühte sich, mit den Händen die eiserne Platte hochzuheben, aber er scheiterte. Zum Glück gab es im Gartenhäuschen allerlei Werkzeug, auch ein entsprechender Krampen stand in der Ecke. Der Rest war dann ein Kinderspiel: Das spitze Dreieck setzte er in den Spalt ein, drückte gegen den Holzstiel, und schon hob sich der Deckel nach oben – Jasmin griff gemeinsam mit dem Revierinspektor zu und das Loch war frei. Bugelnik leuchtete hinein. Es ging etwa zwei Meter nach unten, danach waren die Umrisse eines horizontalen Ganges zu erkennen. Bugelnik blickte sich um – wieder sah er gleich, wonach er suchte: Eine mannshohe Leiter lehnte hinter der Eingangstür. Er holte sie und ließ sie langsam in die Öffnung hinuntergleiten. „Ich gehe voraus, warten Sie hier, bis ich dort bin, wo der Gang an das Haus stößt.“ Dann kletterte er die Leiter hinunter, bückte sich und bewegte sich auf allen Vieren aus ihrem Gesichtsfeld. Eine Minute später war er wieder zurück. „Wollen Sie mitkommen?“, fragte er Jasmin, „ich meine, Ihre Kleidung wird da sicher einige Flecken abbekommen.“ Aber Jasmin wollte sich mit solchen Nebensächlichkeiten jetzt nicht abgeben. Ihr war es wichtiger herauszufinden, was mit Stefan geschehen war, Hose und Bluse konnte sie ja schließlich in die Waschmaschine stecken. „Ich komme!“, rief sie dem Inspektor nach, der sich wieder umgedreht und in Richtung Keller entfernt hatte. Bugelnik leuchtete mit seiner Lampe immer wieder nach hinten, um Jasmin den Weg zu zeigen. Für zwei Personen war tatsächlich wenig Platz in diesem unterirdischen Gang, vor allem, als sie bei den Mauerziegeln angelangt waren, bekam jeder den anderen zu spüren, oder zumindest zu riechen. Bugelnik stemmte sich mit der Schulter gegen die Eisenabdeckung, aber nichts tat sich. Erst als er sich mit beiden Beinen an der Wand abstützte, hatte er genug Kraft, um die Eisenplatte aufzudrücken. Zum Glück war sie nicht abgeschlossen, dachte Jasmin, sie erinnerte sich noch genau, wie Stefan damals, als er ihr dieses Geheimnis anvertraute, den Schlüssel aus der Schrankabdeckung hervorgeklaubt hatte. Jetzt nahm sie deutlich wahr, wie der Schrank hinter der Wand weggeschoben wurde. Bald war das Loch groß genug, dass ein Mensch durchklettern konnte. „Ich gehe einmal hinein und hole einen Stuhl oder etwas Ähnliches, damit Sie leichter durchkönnen“, sagte er und war bereits mit den Beinen voran auf den Kellerboden gesprungen. Er leuchtete den Raum aus, sah einen klapprigen Stuhl in der Ecke stehen und stellte ihn hinter den weggerückten Schrank unter das Loch. „Passen Sie auf, ich weiß nicht, wie stabil der ist“, rief er nach oben, wo schon die Stiefel und die Jeans von Jasmin auf ihn zukamen. Bugelnik hob die Arme, Jasmin rutschte mit seiner Hilfe nach unten und landete auf dem Stuhl. „Wie geht es von hier in die Garage?“, fragte Bugelnik. Jasmin stand neben ihm, nahm ihm die Lampe aus der Hand und ging mit raschen Schritten auf eine Holztür zu, die am anderen Ende des Raumes im Lichtkegel aufschien. Für einen kurzen Augenblick machte sie sich Sorgen, dass diese Tür eventuell abgesperrt sein könnte, aber als sie den Griff bewegte und nach innen zog, war sie erleichtert. Bugelnik folgte ihr nach oben. Die Stufen führten direkt in die Garage. Jasmin ging auf den Lichtschalter zu, doch der Inspektor hielt sie zurück. „Kein Licht einschalten, es könnte uns jemand von draußen beobachten“, sagte er und nahm die Lampe wieder an sich.
Sie drehten sich um und sahen die Umrisse eines Fahrzeugs: Jasmin erkannte den silbergrauen VW Golf, den sich Stefan erst vor einem halben Jahr gekauft hatte. Doch was war das? Fast gleichzeitig machten sie auf dem Fahrersitz eine Figur aus, deren Kopf sich leicht ans Lenkrad anzulehnen schien. Bugelnik wollte Jasmin den Anblick ersparen und versuchte, seine Hand über ihre Augen zu legen – aber sie schob sie weg und ging einen weiteren Schritt auf den Wagen zu: „Leuchten Sie hin!“, rief sie, so laut, dass Bugelnik ein wenig erschrak. Bugelnik richtete die Lampe auf das Seitenfenster. „Nein, das kann nicht
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