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Der Tod des Landeshauptmanns

Der Tod des Landeshauptmanns

Titel: Der Tod des Landeshauptmanns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eugen Freund
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Handel von kostbaren Gegenständen ein kleines Vermögen aufbaute. So konnte er es sich auch leisten, seine Frau Emily und David, der gerade sein erstes Jahr am College verbrachte und derzeit „Spring Break“ hatte, zu dieser emotionalen Reise in die Vergangenheit einzuladen. Schon von Miami aus, wo Joshua Krimnick seit seiner Pensionierung ein Apartment mit Blick auf den Atlantik besaß, hatte er einen Mietwagen bestellt, ebenso die Zimmer im Hotel Sacher.
    Es schien ewig zu dauern, bis das Gepäck endlich am Rollband auftauchte, Joshua konnte sich von seinem grauen Hartschalenkoffer Marke Samsonite nicht trennen, eines der beiden Schlösser war schon völlig unbrauchbar, darum hatte er sicherheitshalber eine rot-blaues Band mehrmals um den Koffer gewickelt. Emily hatte bei Coach in Miami zwei rötlich-braune Lederkoffer erstanden, die im Geschäft verführerisch ausgesehen hatten, aber jetzt, nach dem Flug, bereits die ersten Kratzer aufwiesen. Nur Davids Nylontasche fehlte noch. Einige Stücke waren schon mehrmals an ihnen vorbeigekreist, Joshua wollte sich schon zu „Lost and Found“ aufmachen, aber da tauchte Davids dicke Wurst dann doch noch auf. Seine Mutter hatte ihn am Vortag noch gefragt, ob sie ihm packen helfen solle, aber er hatte das strikt von sich gewiesen.
    Als sie reibungslos am Zollbeamten vorbeimarschiert waren (sie hatten tatsächlich auch nichts zu verzollen, wem hätten sie auch etwas mitbringen sollen?), musterten sie in der Empfangshalle die Gruppe von Männern, die mit dunklen Hosen, weißen Hemden und Schildern in der Hand („Mr. Demota“, „Pfizer“, „Herr Dir. Knesbach“) deutlich erkennen ließen, dass sie auf ganz bestimmte Fluggäste warteten. Die Krimnicks lasen angestrengt alle Namen, blickten sich auch um und dann an – aber nirgends war ein Schild mit „Krimnick“ zu lesen. „Bist du auch sicher, dass du den Wagen bestellt hast?“, fragte Emily ihren Mann skeptisch. Der, müde und geschwächt vom langen Flug, aber doch in kämpferischer Stimmung, bellte zurück: „Glaubst du, ich bin ein Vollidiot? Ich habe einen Brief geschrieben, mit dem genauen Datum, allen Informationen!“ „Wie heißt die Agentur?“, wollte Emily wissen und blickte über die Köpfe der Reisenden hinweg zu den Informationsständen. Joshua mühte sich sichtlich, den Namen aus den hintersten Windungen seines Gehirns hervorzuzaubern. In diesem Moment sah er das Firmenschild ganz weit hinten und rief: „Ich hab’s, ,Mazur‘!“ Sie schoben und zogen die Koffer vor und hinter sich her und reihten sich in die kurze Schlange vor die Autovermietung. Als sie drankamen, stellte sich Joshua vor und erkundigte sich mit freundlicher Stimme (Emily hatte ihn eindringlich gebeten, einmal durchzuatmen und nicht gleich aufzubrausen), wo denn nun ihr Wagen sei. Die Dame hinter dem Schalter legte einen Stoß Papiere auf den Tisch und blätterte. Ein Formular nach dem anderen war voll mit Namen, Daten, Automarken, Chauffeuren, man sah ihr deutlich an, wie sie die Liste genau durchging. Plötzlich rief sie: „Hier, Krimnick, das sind doch Sie, oder?“ Sie fand sie am 4. Mai statt am 5. April – die amerikanische Art, den Monat vor den Tag zu setzen, hatte offenbar zu diesem Irrtum beigetragen.
    Die Hotelzimmer entschädigten sie voll für die Verzögerung am Flughafen. Schon als sie im „Sacher“ ankamen und durch den holzgetäfelten Eingang schritten, waren sie beeindruckt: Auch wenn alles längst nicht so großzügig war wie in amerikanischen Hotelhallen, es hatte einfach Stil. Die Wände, die mit kostbaren Stoffen tapeziert waren, die Jahrhunderte alten Stiche, Perserteppiche vom Feinsten und ein Personal, das sich vor jedem Gast verneigte, als würden kaiserlich-königliche Hoheiten an ihnen vorbeischreiten. Nachdem sie mit dem Lift in den vierten Stock gefahren waren, hatten sie sich getrennt. David hatte ein Extrazimmer bekommen, das weniger wie ein Antiquitätenladen aussah, dafür aber das ausstrahlte, was ihm sein Großvater einmal mit „Gemutlichkeit“ beschrieben hatte. Er warf sich aufs Bett, spürte, wie unter dem Überwurf eine füllige Tuchent seinem Gewicht nachgab und schlief nach wenigen Minuten fest ein.
    „Wie bitte? Das ist nicht Stefan?“ Inspektor Bugelnik blickte Jasmin an, dann leuchtete er mit seiner Lampe nochmals auf den Kopf des Mannes, der am Lenkrad lehnte. „Aber wir haben doch Stefans Handy in seinem Sakko gefunden, sein Führerschein steckte in seiner Brieftasche!“

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