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Der Tod des Teemeisters

Der Tod des Teemeisters

Titel: Der Tod des Teemeisters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasoushi Inoue
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Erleichterung wie schon lange nicht. Für gewöhnlich stürzte es mich stets in unsägliche, rettungslose Verzweiflung, wenn mir Gerüchte über den Tod meines Meisters zu Ohren kamen, aber die heftigen Worte, mit denen Herr Tōyōbō für ihn eintrat, gaben mir neuen Mut. Gegen Ende seiner Rede war ein mir unbekanntes Wort aufgefallen.
    »Sie haben da gerade ein Wort – Wabisuki so und so – benutzt. Was bedeutet das?« fragte ich.
    »Wabisuki-jōjū? Das habe ich von Meister Rikyū . Ich wirke vielleicht wie ein verschrobener Einsiedler, der nichts besitzt außer einer Rolle des Prinzen Son-En-Po und einer Tenmoku-Teeschale, doch ich verfüge noch über andere Kostbarkeiten. Die Teeschale von Chōjirō, die Ihr gesehen habt, und ein zylindrisches Kohlebecken – ein neues Stück, das ich von Meister Rikyū erhalten habe. Wenn Ihr möchtet, kann ich es Euch zeigen, aber Ihr kennt es wohl. Ganz abgesehen davon hat er mir noch etwas Gestaltloses hinterlassen: den Begriff des Wabisuki-jōjū. Im Jahr vor seinem Tod fragte ich ihn, was denn das Geheimnis des Tees sei. Es gebe keines, erwiderte er mir damals. Als ich darauf bestand, faßte er es in den Worten Wabisuki-jōjū und Chanoyu-kanyō zusammen. Im letzten Jahr schrieb er die beiden Worte nieder und schenkte mir als hingebungsvollem Teeliebhaber diese Kalligraphie.«
    Meister Rikyū mochte das zylinderförmige Kohlebecken sehr, weshalb ich es viele Male gesehen habe, aber das Wort »Wabisuki-jōjū« hörte ich zum ersten Mal.
    »Wabisuki-jōjū«, fuhr Herr Tōyōbō fort, »ist die Seele der Teekunst, derer man bei Tag und bei Nacht, im Wachen und im Schlafen, gewahr sein muß. Ebenso wichtig ist Chanoyu-kanyō für die Teezeremonie. Zumindest meiner Meinung nach. Die Teezeremonie kann ich üben, aber die Lehre des Wabisuki-jōjū ist schwierig. Ich darf sagen, nahezu unmöglich. Allein Rikyū hat sie gemeistert, stets gewissenhaft befolgt und bis zu seinem letzten Augenblick nicht davon abgelassen.«
    Er hielt kurz inne und fuhr dann erregt fort.
    »Warum sollte ein Mensch wie Rikyū seine Gerätschaften aus Habgier verkaufen? Und wie könnte ein solcher Mann eine Statue von sich selbst in einem Tempeltor aufstellen? Ich höre lieber davon auf, sonst packt mich wieder die Wut!«
    Rührung überkam mich, als ich erkannte, welch leidenschaftlichen Anhänger Rikyūs ich vor mir hatte. Was für ein Glück, daß ich heute Herrn Tōyōbō begegnet bin. Für meinen Meister und auch für mich. Sprachlos vor Bewegung senkte ich den Blick, um meine Tränen zu verbergen.
    »Zur Abwechslung würde ich gern einen Tee trinken, den Ihr, mein lieber Honkakubō vom Mii-dera, zubereitet habt«, ließ Herr Tōyōbō sich nun vernehmen.
    Ich verbeugte und erhob mich leise.
    Herr Tōyōbō soll die Sitte, die Teeschale kreisen zu lassen, eingeführt haben, und Meister Rikyū hatte sie von ihm übernommen. Daher hatten wir diese Art der Zeremonie unter uns »Tee nach Tōyō« genannt, ohne daß erselbst etwas davon wußte. Ich erinnerte mich daran und ließ die Schale zwischen mir und Herrn Tōyōbō hin- und hergehen.
    Nach dem Tee änderte sich die Stimmung deutlich. Unser Gespräch wurde ungeachtet des Unterschieds in Stellung und Alter so vertraulich, wie es nur zwischen Schülern von Meister Rikyū möglich ist.
    »Rikyū verwendete gern kleine Teeschalen und zierliche Löffel. Vielleicht, weil er selbst groß war. Natürlich habe ich ihn das nie direkt gefragt, aber ich bin überzeugt, er machte sich stets ernsthafte Gedanken darüber und berechnete die Größe des Teelöffels im Verhältnis zur Größe der Schale. Und die der Schale entsprechend der Tatami des Raums«, erklärte Herr Tōyōbō.
    Ja, so muß es gewesen sein. Heute erscheint mir das ganz klar, aber damals dachte ich nur, dem Meister gefielen die kleinen Teeschalen und zierlichen Teespatel eben besser. »Sein Teestil war in jeder Hinsicht erlesen und unvergleichlich. Frei, hochherzig, bar der winzigsten Spur von Geiz oder Kleinmut. Man brauchte nur zuzuschauen, und Stille und Frieden hielten im Herzen Einzug. Er hatte einen so ruhig fließenden Stil, frei von jeder Hemmung oder Bedrängnis. Kein anderer besaß diese Fähigkeit. Fast möchte man sagen, er war dazu geboren, aber ich glaube, er hat hart an sich gearbeitet.
    Meister Rikyūs Stil glich einem Kampf ohne Schwert und ohne Dogma. Mit einem Wort, er kämpfte den Kampf eines nackten Menschen.«
    Bei Herrn Tōyōbō s Worten wurde mir vieles klarer. Er

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