1333 - Mordgelüste
Nicht nur ein Schädel. Nicht aus Fleisch, Knochen und Muskeln, nein, dieser Kopf war ein besonderes Kunstwerk. Er bestand aus Glas und stand auf einem stängelartigen Ständer, als wäre der Schädel eine kostbare Blume. Helles Glas, dennoch gefärbt. Rotes und gelbliches Licht vereinigten sich darin. Es lief wie Fäden durch den Schädel und sorgte für ein bestimmtes Leben.
Ein Kunstwerk oder Kopf, der nicht starr war, denn das Leben befand sich in den Augen, die einen bestimmten Glanz abgaben, und es war auch daran zu sehen, dass sich der Mund in die Breite gezogen hatte, so dass er den Betrachter anlächelte.
Beim Eintreten der beiden Männer war das nicht so gewesen. Da hatte dieser Glaskopf ein starres Bild abgegeben. Das war nun vorbei, und Sinclair hatte als Erster das Lächeln bemerkt und sich davon ablenken lassen.
Gregg Fulton hatte hinter dem Rücken des Mannes gestanden und einfach nur abgewartet.
Dann war der Befehl gekommen.
SCHLAG IHN NIEDER!
Das hatte Gregg getan und den Yard-Mann völlig unvorbereitet getroffen.
Sinclair war einfach zusammengesackt und rührte sich bereits seit einer halben Minute nicht mehr. So viel Zeit war ungefähr nach dem Niederschlag verstrichen.
Die Leere!
Außen und innen. Gregg Fulton fühlte nichts mehr. Gedanken gab es bei ihm nicht. Auch keine Überlegungen. Er war kein Mensch mehr.
Mehr Mensch war der Kopf vor ihm. Aus Glas. Leuchtend, aber keine Wärme ausstrahlend. Weder normale noch gefühlsmäßige. Er war bösartig und faszinierend zugleich. Er war der Herrscher. Er konnte auch ein Bote sein, aber darüber machte sich Fulton keine Gedanken. Er wartete darauf, dass etwas mit ihm selbst passierte, nur musste er erst angestoßen werden und…
»Das hast du gut gemacht!«
Da war sie wieder. Die Stimme, die einen so barschen Klang hatte und ihm trotzdem nicht zuwider war. Er verzog den Mund zu einem Lächeln und freute sich über den ersten Kontakt, auch wenn er den Sprecher nicht sah.
Nur die Stimme!
Sie gehörte ihm, dem großen Saladin. Dem Mann, der die Hypnose so perfekt beherrschte. Der vorhanden, aber nicht sichtbar präsent war. Er war der große Überflieger, der Meister seines Fachs.
Es blieb bei der Stimme. Kein Bild erschien, wie es sonst der Fall gewesen war. Gregg Fulton erinnerte sich genau. Wenn diese schreckliche Figur erschienen war, wurde er aus seinem normalen Leben herausgerissen. Da war er nicht mehr er selbst. Er empfing die Botschaft und musste ihr folgen, ob er wollte oder nicht.
Es war die Gestalt im Hintergrund. Noch unangreifbarer als Saladin. Dieses schwarze und gewaltige Skelett mit seinen leicht schimmernden Knochen, den rot glühenden Augen und der mächtigen Mordsense, die seine perfekte Waffe war.
Eine Erscheinung, die das Grauen brachte. Gregg war ihr hörig.
Wenn sein Bild wie ein Blitz vor ihm auftauchte, konnte er nichts anderes mehr tun, als das, was ihm befohlen wurde.
Er und Saladin!
Der Mund lächelte Gregg noch immer an. Auch in den Augen verteilte sich dieser Ausdruck. Ob sie Pupillen besaßen, sah er nicht. Sie waren einfach nur gläsern, aber er hatte das Gefühl, als würden sie ihm einen Blick zuschicken, der seine Seele erwischte.
»Deinen Fehler habe ich dir bereits verziehen!«, flüsterte die Stimme wieder. »Jetzt möchte ich, dass du mir auch weiterhin zur Seite stehst. Ich werde mich auf dich verlassen müssen, aber ich werde mich auch um deine beiden Freunde kümmern.«
»Was soll ich tun?«, fragte Gregg Fulton.
»Bist du stark?«
»Weiß nicht.«
»Du musst aber stark sein. Du wirst dich bücken und dich um John Sinclair kümmern. Wenn du ihn nicht tragen kannst, dann zieh ihn über den Boden. Ich werde dir sagen, wohin du ihn schaffen sollst. Hier kann er nicht bleiben.«
»Ja, das werde ich machen.«
Gregg bückte sich und fasste den Bewusstlosen an. Er hievte ihn hoch, aber er würde es nicht schaffen, ihn über die Schulter zu wuchten und zu tragen.
Deshalb hielt er sich an den Rat des Hypnotiseurs, fasste Sinclair an den Gelenken an und schleifte ihn über den Boden. Er wusste noch nicht, wohin er gehen musste. Er passierte nur den leuchtenden Glaskopf, dessen Mund nicht mehr lächelte und lauschte der Stimme des Hypnotiseurs in seinem Kopf.
Gregg besaß keinen eigenen Willen mehr. Er stand voll und ganz unter dem Bann dieses Menschen, der über andere Menschen eine große Macht besaß.
Die nächsten Minuten vergingen wie im Traum. Er blieb im Haus des Hypnotiseurs. Er
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