Der Tod hat eine Anhängerkupplung: Ein Campingkrimi (German Edition)
diesem Abend an Moor denken ließ.
6
Piet ging zum Tresen. Er nickte Wim zu, drehte sich um und lehnte sich mit dem Rücken gegen die gescheuerte Holzplatte. Er schaltete seine Augen auf Weitwinkel und registrierte jede Bewegung in seinem Blickfeld. Im politiebureau hielt man ihn für einen harten alten Knochen, wobei es von seiner Laune, seiner Tagesform und vom Wetter abhängig war, ob das »hart« oder das »alt« zutraf.
Meistens hatte er mit seinem Alter keine großen Probleme. Er arbeitete anders als die Kollegen. Er war immer der Ansicht, dass man Fälle nicht lösen konnte, indem man seinen Hintern vor einem Computermonitor platt saß, deswegen konnte er mit diesem grauen Kasten auch nicht so umgehen wie Vermeer oder die anderen. Er war älter als Meinert Waatering, der hoofdInspecteur , nicht viel älter, aber immerhin. Er respektierte seinen Chef, aber er rutschte nicht auf Knien über den Flur, wenn er ihn sah. Er konnte noch mit allen mithalten, und er hatte nur noch sieben Jahre.
Es war Piet durchaus recht, dass man ihn für hart hielt. Manchmal gab er sich sogar Mühe, dieses Image zu nähren. Es gab Situationen im Polizeidienst, in denen ein solcher Ruf hilfreich sein konnte. Am Anfang hatte er sich immer amüsiert, wenn das Wort »Macho« fiel, sobald er ins bureau kam. Macho, darunter verstand man doch landläufig ein männliches Arschloch, das keinen besonderen Wert auf Deo legte. Piet hatte den Begriff sogar einmal im Lexikon nachgeschlagen und unter dem Stichwort »Machismo« nachgelesen. Bei ihm vermutete man also »starke Überlegenheitsgefühle und Herrschaftsansprüche gegenüber der Frau«. Es hätte ihn nicht gestört, wenn dies gestimmt hätte. Es stimmte aber ganz und gar nicht …
Annemieke Breukink war gekleidet wie ein Mitglied des englischen Hochadels, unmittelbar vor oder nach einer Fuchsjagd. Er war der Inspecteur , sie trug den Dienstgrad eines brigadier . Er war also ihr direkter Vorgesetzter. Dennoch hatte sie früher von dem Fall erfahren als er, und sie hatte sich vorab entschieden, ihn nicht vor der Beschaffenheit des Tatortes zu warnen. Außerdem war sie mehr als dreißig Minuten vor ihm am Tatort gewesen. Und da sollte er sich überlegen fühlen? Blödsinn! Im Gegenteil: Er musste aufpassen, dass sie nicht mitbekam, wie unterlegen er sich manchmal fühlte.
So etwas Ähnliches wie ein Mitglied des Hochadels war Annemieke Breukink schließlich auch, nicht adelig im Sinne von »von« oder »van«, aber es gab ja auch Geldadel. Annemiekes Vater, Geert Breukink hatte in Rotterdam durch IT -Handel mit Lagerplätzen ein Vermögen verdient. Das war eigentlich nichts Ungewöhnliches, ungewöhnlich war nur, das er sein Vermögen behalten hatte, obwohl eine Menge Analysten nur wenige Monate zuvor ihr Haus darauf verwettet hätte, dass BSE einen Hammer-Konkurs hinlegen würden. BSE , Breukink Storing and Engineering , hatte die große Internet-Blase überlebt, mit ein paar Schrammen, aber immerhin.
Geert Breukink war ebenso steinreich wie vernarrt in seine Tochter, und er war überhaupt nicht begeistert gewesen von Annemiekes Idee, zur Polizei zu gehen. Andererseits war sie seine Tochter, und so wusste er, dass es wenig Sinn hatte, mit ihr darüber zu diskutieren. Wenn sich eine Breukink etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann war jeder Versuch, ihr das wieder auszureden, vergeblich. Als würde man versuchen, Schießpulver aus einem Gewehrlauf zu kratzen. Mit jedem Versuch wurde das Pulver nur fester zusammengepresst, und je länger man versuchte, den Schuss zu verhindern, desto lauter wurde der Knall.
Annemieke Breukink saß neben Piet am Tresen. Sie hatte sich so auf einen Barhocker gesetzt, dass sie ihn ansehen konnte, dabei hatte sie aber fast den gesamten Gastraum im Auge, vor allem den Teil, den Piet nicht einsehen konnte. Die beiden waren ein eingespieltes Team.
Annemieke räusperte sich fast unhörbar: »Ich wusste nicht, dass du ihn kennst. Glaub mir, sonst hätte ich dir am Telefon mehr gesagt. Ich wollte doch nur …«
Er blickte sie kurz an und sagte dann ruhig: »Schon gut. Dann lass uns mal zusammenfassen, was wir wissen.«
»Wir haben einen Toten. Wir haben dessen Identität, und wir wissen, dass es kein natürlicher Tod und kein Selbstmord war. In der Nähe des Tatortes befanden sich zur Tatzeit knapp unter zweitausend Menschen. Eine Tatwaffe fehlt nicht, denn es gab keine. Das ist alles.«
»Das ist nichts«, stellte Piet fest.
Wim
Weitere Kostenlose Bücher