Der Tod macht den letzten Schnitt
Fallowfield!»
«Tut mir leid, Herzchen, aber ich kann
hier nicht den Betroffenen spielen. Gut, diesen Bösewicht gibt es, aber
immerhin ist ihm der Dank der Profession gewiß. Margarite Pelouse war alles
andere als beliebt.»
«Üblicherweise spricht man nicht
schlecht von Toten», sagte Mullin angewidert.
«Und trotzdem weint ihr kaum jemand
eine Träne nach.» Ashley war aufrichtig. «Und bitte bedenken Sie — ihr Tod ist,
was die Einschaltquoten betrifft, ein wahres Gottesgeschenk. Wenn das über den
Sender geht! Wetten, daß wir Eastenders schlagen? Unsere Gesellschaft
muß danach einfach eine neue Serie auflegen.»
«Sie wollen die Szene doch nicht senden?»
«Jedes einzelne Bild, Herzchen» — Ashley
schickte einen frommen Blick nach oben — , «als Tribut an eine große
Künstlerin. Das Drehbuch wird vom Redakteur entsprechend umgeschrieben.»
Der Sergeant fragte sich, ob sein
Vorgesetzter das auch so sehen würde. «Darf ich fragen, wie lange es das Studio
schon gibt?»
«Seit einem halben Jahr. Dank Hilda von
England. Sie wollte Konkurrenz. Private Programmgesellschaften schossen wie Pilze
aus dem Boden, deren Erfolg allerdings von Leuten wie mir abhängt. Ich gehöre
einer aussterbenden Rasse an, Sergeant, ich weiß tatsächlich, wie man
Fernsehprogramme macht.» Ashley ließ Mullin ausreichend Zeit zum Staunen.
«Haben Sie hier je eine Razzia gemacht? Als es noch ein Kino war? Oder später,
als hier Pornofilme gezeigt wurden? Nein? Wie auch immer — das Kino wurde von
einer Finanzgruppe gekauft und umfunktioniert, und einer von ihnen lief mir auf
der BAFTA über den Weg
und wollte wissen, was genau du machst,
wenn du erst mal das Studio hast — das war, als Central TV die letzte Folge von Crossroad abdrehte — , und da habe ich ihm ein unbezahlbares Stück Rat
gegeben. , habe ich zu ihm gesagt,
»
Mullins Neugierde obsiegte. «Wie das?»
fragte er.
«Ausstattung ist der teuerste Posten in
jedem Programmetat. Ich weiß, wovon ich rede. Sie hatten also Rainbow
Television gegründet und jede Menge Hotelzimmer-Dekos gekauft, womit das
Problem einer Produktion gelöst war.»
«Eine Klinikserie!»
Ashley nickte anerkennend.
«Basierend auf dem Nationalen
Gesundheitsdienst?»
Ashley erschauerte. «Gott erbarme — dank
Hilda ist euer Gesundheitsdienst gestorben und allenfalls als Thema für
Dokumentation. Doctors and Nurses spielt in einer Privatklinik, das lieben die Zuschauer. Die Serie wird dreimal wöchentlich um achtzehn Uhr
dreißig auf Channel 4 ausgestrahlt.»
«Welche Rolle hatte Miss Pelouse zu
spielen?»
«Sie war der Gaststar dieser Woche. In
der Montagsfolge gibt es immer einen , dessen
Identität am Mittwoch enthüllt wird. Die Hälfte der einstmals Berühmten haben
wir schon eingesetzt — sie sind preiswert, und unsere Zuschauer sind
mehrheitlich alt genug, um sich an deren Ruhmeszeiten zu erinnern. In dieser
Folge sucht eine Krankenschwester nach ihrer Mutter, von der sie vor vielen
Jahren zur Adoption freigegeben worden war — und eben diese Frau wird in die
Notaufnahme der Klinik eingeliefert — , sie leidet an Gedächtnisschwund —»
«Moment!» Der lange Sergeant hatte
nicht vor, sich mitreißen zu lassen. «Privatkliniken haben keine Notaufnahme.»
«Grundgütiger!» sagte Ashley
ungehalten. «Was sonst hättest du mit einer Motel-Ausstattung machen sollen? In
einer Klinikserie mußt du Notaufnahme und Intensivstation bringen. Das erwarten
die Leute.»
«Wann hat Miss Pelouse mit den Proben
begonnen?»
«Erst vor drei Tagen. Eine ziemlich
komplizierte Angelegenheit: ursprünglich war die Rolle einer anderen
Schauspielerin zugedacht, aber sie brach sich die Hüfte, armes Mädchen. Das ist
der Haken, wenn du Oldies nimmst, ein paar davon sind arg zerbrechlich.
Margarite gehörte nicht zu ihnen, übrigens. Ich habe sie trotzdem nur ungern
engagiert. Irgendwie ahnte ich, daß sie Ärger machen würde. Aber wir waren in
Zeitdruck.»
«Warum nimmt man jemanden wie sie
überhaupt, wenn sie eine solche Plage ist?»
Ashley blickte ihn mitleidig an. «Weil
sie genial war, Herzchen. Auf der Bühne, im Fernsehen, wo auch immer — das
Publikum betete sie an. Und ich gebe zu, daß bei ihr immer die Chance bestand,
in die Schlagzeilen zu kommen, weil...» Ashley besann sich eines anderen und
fuhr rasch fort: «Allgemein läßt sich sagen, daß Genies keine netten Menschen
sind. Sie sind
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