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Der Tod macht den letzten Schnitt

Der Tod macht den letzten Schnitt

Titel: Der Tod macht den letzten Schnitt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Livingston
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die sprichwörtliche Strafe Gottes, nur lernt man in unserem
Gewerbe, sich damit abzufinden.»
    «Können Sie sich vorstellen, warum sie
getötet wurde?»
    Ashley riß die Augen auf. «Mein Gott,
was für eine Frage! Jeder, der mit ihr zu tun hatte, verspürte irgendwann die
Lust, genau das zu tun.»
     
     
    Studio A. Requisite
     
    Zu jedem Studio gehören Lagerräume: sie
haben ungetünchte Wände und eine nackte Glühbirne an der Decke, und sie sind
feucht, verstaubt und voller Trödel. Studio As Requisite bot den vertrauten
Anblick eines Secondhand-Ladens. In einer Ecke hatte Detective Inspector Newton
sich eine Art Büro eingerichtet, um die Zeugen zu vernehmen. Und damit er
ungestört arbeiten konnte, hatte der Requisiteur zwei viktorianische
Wandschirme aufgestellt. Newton schätzte diese schäbige, nüchterne Atmosphäre —
nur hätte er sich einen anderen Schreibtisch gewünscht. Der Requisiteur hatte
ihm einen Schreibtisch aus der Sprechzimmer-Dekoration von Doctors and
Nurses gegeben. Unbehaglich saß Newton dahinter und wartete darauf, daß
Robert, der Aufnahmeleiter, sich von seinem Schock erholte. Ob
Harley-Street-Spezialisten sich tatsächlich solchen Luxus leisteten? Sein
Hausarzt behalf sich mit einem Tisch mit Kunstoffplatte.
    Als Inspector des Criminal
Investigation Department in einem der unruhigeren Viertel Londons hatte er sich
schon vor langer Zeit abgewöhnt, Gefühle zu zeigen. Vergangene Woche war ein
Drogensüchtiger vor einen U-Bahnzug in Oxford Circus Station gestürzt (oder
gestoßen worden?). Als Newton die Überreste zu begutachten hatte, war ihm wie
üblich übel geworden, aber niemand hätte das auch nur vermutet. Heute als
leitender Beamter zu einem ungeklärten Todesfall gerufen, stellte er fest, daß
ein Studio die denkbar schlechtesten Voraussetzungen für erfolgreiche Arbeit
bot: ein riesiger Raum mit schätzungsweise einem Dutzend Ausgängen, die von
jedem unkontrolliert benutzt werden konnten, und als Dekoration eine Kette
dicht aneinandergereihter kleiner Krankenzimmer, die die Personen isolierten — Zeugen
wären nachgerade prämienwürdig. Um das Maß vollzumachen, erfuhr er, daß vor seiner
Ankunft jeder das Studio hatte verlassen dürfen. Newtons Fassung wankte, als er
das hörte.
    Wenigstens die Polizei hatte ganze
Arbeit geleistet. Binnen Minuten erhielt er die Erlaubnis, ein provisorisches
Büro im Gebäude einzurichten. Die Spurensicherung war schon tätig. Ein
zusätzlicher Beamter war ihm zugeteilt worden, der die zahllosen Requisiten
aufzulisten hatte, die überall verstreut herumlagen. Die Detective Sergeants
Sylvia Mackenzie und Doreen Dexter sollten den ungeliebten Außenseiter Mullin bei
der Feststellung der Personalien der Zeugen entlasten, die inzwischen in
Abständen vom Lunch eintrudelten. Es zeigte sich, daß die meisten von Besetzung
und Technik wirklich ahnungslos waren. Wer der Szene auf dem Monitor zugeschaut
hatte, glaubte, wie der Regisseur, an einen schlechten Scherz, und der Rest,
der begriffen hatte, was vorgefallen war, hatte den Fall ausführlich
diskutiert. Also wäre er bald kein Geheimnis mehr.
    Newton wartete geduldig, bis der
Aufnahmeleiter, der vor ihm saß, redete. Er hatte Verstand genug gehabt, im
Gebäude zu bleiben, brauchte aber einfach Zeit, sich von dem Schrecken zu
erholen.
    Robert hatte die Szene noch lebhaft vor
Augen: Margarites silbrig schimmerndes Haar, dekorativ auf dem Kopfkissen
ausgebreitet, und die blutende Brustkorbwunde, aus der der Messergriff
herausragte. Er staunte über den ruhigen, gelassenen Mann hinter dem
Schreibtisch — schweigsam, aufmerksam, die Hände gefaltet, saß er da, als hätte
er unendlich viel Zeit.
    Der Aufnahmeleiter gab sich einen Ruck:
«Tut mir leid, aber ich zittere immer noch... Mir wurde klar, daß es kein
Scherz war, als ich das Blut roch. Das Zeug, das wir benutzen, ist ganz
anders.»
    «Versuchen Sie, nicht daran zu denken.
Konzentrieren Sie sich auf die Reihenfolge der Ereignisse. Wo war Miss Pelouse,
unmittelbar bevor sie ihre Position im Bett einnahm?»
    «Margarite ruhte sich in der
Studiogarderobe, der sogenannten Schnellumkleidekabine, vor ihrem Auftritt aus.
Das machen viele ältere Schauspieler. Sie liegt hier» — er zeigte auf ein im
Lageplan des Studios eingezeichnetes Quadrat — «neben den Fundus in die Ecke
geklemmt. Margarite hielt sich dort auf, bis sie gebraucht wurde. Wir hatten
ihr natürlich die Stargarderobe angeboten, aber die lag ihr zu weit vom

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