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Der Tod meiner Mutter

Der Tod meiner Mutter

Titel: Der Tod meiner Mutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Diez
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Jörg, dass das Bild, das meine Mutter so gemocht hatte, doch gut wieder zu dem Maler zurückkönnte, ein alter Mann,
     der jetzt in Umbrien lebte, das Bild zeigte eine umbrische Landschaft, es würde also dorthin gehen, wo es hergekommen war.
     Er hängte das Bild ab und packte es in eine Tasche und die Stelle, wo das Bild gehangen hatte, war gar nicht weißer als der
     Rest der Wand, obwohl ich das erwartet hatte.
    Langsam löste sich die Spannung, eine Spannung, die nicht meine gewesen war, aber jetzt, wo sie fort war, half mir das und
     war gut. Sie blätterten durch die Bücher meiner Mutter, sie öffneten die Küchenschränke, sie schauten die Kleider an, und
     Hania wollte ein paar von den bunten Schals, die neben dem Bett meiner Mutter gehangen hatten, und Anne wollte auch ein paar,
     und Hania zog zwei davon an, einen gelben und einen roten, die leuchteten, wie von selbst.
    Und schließlich ging es leichter und mit jedem Stück,das weg war, wurde ich heiterer. Anne packte zwei Tische aus Plexiglas in ihr Auto und die roten Kerzen und Servietten. Meine
     Patentante Gusti suchte sich ein Regal aus und eine Stehlampe und einen Schal und nahm den alten Apple-Computer, einen Schreibtisch
     und ein Federbett für ihre Tochter. Elfi entschied sich für ein Regal und einen Stuhl aus Plexiglas und einige Bücher. Jörg
     schaffte Bastelmaterial und eine Espressomaschine in ein Gehörlosenzentrum. Sein Sohn Philip suchte sich ein paar Ohrringe
     für seine Freundin aus, etwas Geschirr, ein Moskitonetz und einen Schlafsack, sein Bruder Christoph etwas Schmuck, Besteck
     und das Handy, der dritte Bruder Janek nahm das Sofa mit, Kochbücher, die Cembalonoten, einen Koffer und eine Schreibtischlampe.
     Hania und Jörg packten Gläser, Bücher, den Fernseher, den DVD-Spieler, CDs, weiße Kerzen, Batterien und 5,8 Kilometer Schnur
     ein, das Material der Mediationsausbildung kam nach Heidelberg, die Bücher landeten in Münster in der Studentenbibliothek,
     die Orgelnoten in Paris. Die Zitronenpresse brachte jemand in die Provence, die Krimis von Donna Leon endeten in der Maremma
     und das Kinderbuch »Der Kater aus Krakau« in Breslau.
    Wenn man auf einer Karte einzeichnet, wo all die Dinge meiner Mutter unterkamen, dann ergibt das einen ziemlich genauen Umriss
     ihres Lebens.

    Im Januar 2007, an einem strahlenden, hellen, klaren Wintertag, wurde meine Tochter geboren. Eine Weileschaute ich nur in ihre Augen und war meistens glücklich und nur selten traurig. Dann fing sie an zu lächeln. Dann bewegte
     sie ihren Kopf und ihre Zehen. Dann fuhren wir nach München und besuchten die Schwiegereltern und meinen Vater und seine Frau
     und Hania und Jörg. Es wurde April und dann wurde es Mai. Rosen, sagte ich zum Friedhofsgärtner, rosa Rosen sollten es sein.
    Ich saß in der U-Bahn und schaute hinaus ins Schwarz des Tunnels. »Es ist ja nur eine Urne«, hatte der Mann am Telefon gesagt,
     »88-4, keine große Sache.« Es wurde wieder schwarz, hinter dem Fenster war Bewegung und das Schild war verschwunden, Dietlindenstraße.
     Die nächste Haltestelle war der Nordfriedhof. 88-4, das war die Nummer, das war das Grab meiner Mutter.
    Ich stieg aus und folgte einer alten Frau, die sich am Geländer der Rolltreppe festhielt. Links, das las ich auf einem Schild
     am Ende der Rolltreppe, ging es zur AOK, rechts zur Aussegnungshalle und zum Airportbus. Die Frau ging nach links, ich ging
     nach rechts. »Preise gut, alles gut«, stand auf einem Plakat, und ich schrieb mir das auf in mein Notizbuch, denn ich wollte
     mir alles hier merken, ich wollte erleben, um zu schreiben. Also notierte ich: Sonne, Bäume, Erde, die Fruchtbarkeit des Friedhofs,
     Ibis-Hotel. Es wehte ein leichter Wind, es schien eine warme Sonne, es war Frühling.
    Die Urne stand unter einem schwarzen Tuch, auf einer Art Säule, in einem leeren Raum. Der Mann, der bei mir war, hatte ein
     graues Sakko an und einen Fleckam Arm. Ich hatte meine Tasche in der Hand, ich war direkt vom Flughafen hierher gekommen. Meine Frau und meine Tochter waren
     in Berlin geblieben, ich hatte lange überlegt, ich wollte eigentlich nicht allein sein und war dann doch froh, dass ich es
     war. Die Tasche fühlte sich leicht an.
    Der Mann wartete und ich wartete, wir warteten beide, bis ich den einen Fuß bewegte und er ein paar Schritte machte und das
     Tuch von der Urne nahm. Die Urne war rot und er trug sie vor mir her, als wir zwischen den alten Gräbern und den schweren
    

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