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Der Tod wartet

Der Tod wartet

Titel: Der Tod wartet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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es nicht an. Sie hatte zu gehorchen. Die anderen brachen auf. Dr. Gérard und ich schlossen uns ihnen an.»
    «Wann war das?»
    «Gegen halb vier.»
    «Wo war Mrs Boynton zu der Zeit?»
    «Nadine – die junge Mrs Boynton – hatte es ihr auf einem Stuhl draußen vor ihrer Höhle bequem gemacht.»
    «Fahren Sie fort.»
    «Hinter der Biegung holten Dr. Gérard und ich die anderen ein. Wir gingen alle zusammen weiter. Nach einiger Zeit kehrte Dr. Gérard dann um. Er hatte sich offenbar schon eine ganze Weile nicht wohl gefühlt. Ich sah, dass er Fieber hatte. Ich bot an, ihn zu begleiten, aber er wollte nichts davon hören.»
    «Um wie viel Uhr war das?»
    «So gegen vier, würde ich sagen.»
    «Und die anderen?»
    «Wir gingen weiter.»
    «Alle zusammen?»
    «Zuerst ja. Dann trennten wir uns.» Sarah sprach rasch weiter, als ahnte sie die nächste Frage schon. «Nadine Boynton und Mr Cope gingen in die eine Richtung, und Carol, Lennox, Raymond und ich gingen in eine andere.»
    «Und so setzten Sie Ihren Weg fort?»
    «Nun ja – nicht ganz. Raymond Boynton und ich verließen die anderen. Wir setzten uns auf eine Felsplatte und bewunderten die wildromantische Landschaft. Dann ging er zurück, während ich noch einige Zeit blieb. Als ich auf die Uhr schaute, war es kurz vor halb sechs, und mir wurde klar, dass ich mich auf den Heimweg machen musste. Ich kam gegen sechs im Camp an. Die Sonne ging gerade unter.»
    «Kamen Sie unterwegs an Mrs Boynton vorbei?»
    «Ich sah nur, dass sie noch immer droben auf ihrem Stuhl saß.»
    «Und das kam Ihnen nicht merkwürdig vor – dass sie sich nicht von der Stelle gerührt hatte?»
    «Nein, weil ich sie schon am Vorabend bei unserer Ankunft dort hatte sitzen sehen.»
    «Ich verstehe. Continuez. »
    «Ich ging ins Gemeinschaftszelt. Außer Dr. Gérard waren schon alle da. Ich machte mich frisch und kam dann zurück ins Gemeinschaftszelt. Das Abendessen wurde aufgetragen, und einer der Diener ging los, um Mrs Boynton zu holen. Er kam zurückgerannt und sagte, dass sie krank sei. Ich ging sofort zu ihr. Sie saß noch genau so auf ihrem Stuhl wie vorher, aber als ich sie anfasste, merkte ich, dass sie tot war.»
    «Für Sie bestand kein Zweifel, dass sie eines natürlichen Todes gestorben war?»
    «Nicht der geringste. Ich hatte gehört, dass sie ein Herzleiden hatte, aber genau welches war mir nicht bekannt.»
    «Sie dachten lediglich, sie sei in ihrem Stuhl sitzend gestorben?»
    «Ja.»
    «Ohne um Hilfe zu rufen?»
    «Ja. Das ist nichts Außergewöhnliches. Sie konnte ohne weiteres im Schlaf gestorben sein. Es ist durchaus denkbar, dass sie eingenickt war. Außerdem schliefen alle im Camp sowieso fast den ganzen Nachmittag. Niemand hätte sie gehört, es sei denn, sie hätte sehr laut gerufen.»
    «Konnten Sie feststellen, wie lange sie schon tot war?»
    «Nun, darüber habe ich nicht weiter nachgedacht. Sie war auf jeden Fall schon einige Zeit tot.»
    «Was verstehen Sie unter ‹schon einige Zeit›?», fragte Poirot.
    «Nun, mindestens eine Stunde. Vielleicht auch länger. Die von den Felsen zurückstrahlende Wärme hätte ein rasches Erkalten der Leiche verhindert.»
    «Mindestens eine Stunde? Ist Ihnen bekannt, Mademoiselle King, dass Raymond Boynton nur eine gute halbe Stunde früher mit seiner Mutter sprach und dass sie da lebte und wohlauf war?»
    Sie wich seinem Blick aus und schüttelte dann den Kopf. «Er muss sich irren. Es muss früher gewesen sein.»
    «Nein, Mademoiselle, es war nicht früher.»
    Sie sah ihn wieder geradeheraus an. Poirot fiel erneut der energische Zug um ihren Mund auf.
    «Nun», sagte Sarah, «ich bin noch jung und habe nicht viel Erfahrung mit Leichen, aber ich weiß genug, um mir in einem Punkt ganz sicher zu sein. Mrs Boynton war schon mindestens eine Stunde tot, als ich ihre Leiche untersuchte!»
    «Das», sagte Hercule Poirot, «ist Ihre Version, und Sie werden sich nicht davon abbringen lassen! Würden Sie mir dann erklären, warum Mr Boynton aussagen sollte, dass seine Mutter noch lebte, wenn sie in Wahrheit bereits tot war?»
    «Ich habe keine Ahnung», sagte Sarah. «Wahrscheinlich deshalb, weil die ganze Familie kein besonders gutes Zeitgefühl hat. Sie sind ja alle ziemlich fahrig.»
    «Wie oft, Mademoiselle, hatten Sie Gelegenheit, mit ihnen zu sprechen?»
    Sarah runzelte die Stirn und dachte einen Moment nach.
    «Das kann ich Ihnen genau sagen», erklärte sie. «Auf der Bahnfahrt nach Jerusalem unterhielt ich mich im Gang des

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