Der Tod wartet
Mensch, der ehrlich ist, haben würde.»
Sarah nickte. «Ich weiß, was Sie meinen. Man wird immer misstrauisch, wenn sich jemand einer Sache allzu sicher ist. Trotzdem, Monsieur Poirot, es ist kein eindeutiger Beweis. Ich habe das Gefühl, dass…» Sie brach ab. Poirot sprach den Satz für sie zu Ende.
«Sie haben das Gefühl, dass Ermittlungen meinerseits unklug wären.»
Sarah sah ihm fest in die Augen. «Offen gesagt, ja. Sind Sie ganz sicher, Monsieur Poirot, dass es sich hier nicht lediglich um ein Vergnügen zu Lasten anderer handelt?»
Poirot lächelte. «Dass das Privatleben einer Familie gestört und behelligt wird, nur damit Hercule Poirot zu seiner Zerstreuung ein wenig Detektiv spielen kann?»
«Ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten – aber ist dieser Gedanke denn so abwegig?»
«Sie stehen also auf der Seite der Familie Boynton, Mademoiselle?»
«Ja, ich glaube schon. Sie haben alle sehr viel mitgemacht. Sie – sie sollten nicht noch mehr durchmachen müssen.»
«Und la maman? Sie war unangenehm, tyrannisch, ekelhaft und darum entschieden besser tot als lebendig, n’est-ce pas? »
«Wenn Sie es so ausdrücken – » Sarah hielt errötend inne und fuhr dann fort: «Ich gebe zu, dass man dergleichen nicht in Betracht ziehen sollte.»
«Aber man tut es trotzdem! Das heißt, Sie tun es, Mademoiselle! Nicht ich – ich tue es nicht! Für mich spielt das keine Rolle. Das Opfer mag ein wahrer Heiliger sein oder aber ein infames Ungeheuer. Es berührt mich nicht. Der Sachverhalt ist der gleiche. Ein Leben wurde genommen! Ich betone es noch einmal: Ich kann Mord nicht billigen.»
«Mord?» Sarah zog scharf die Luft ein. «Aber was für Beweise gibt es dafür? Doch nur extrem fadenscheinige! Selbst Dr. Gérard ist sich seiner Sache nicht sicher!»
Poirot sagte ruhig: «Es gibt noch andere Indizien, Mademoiselle.»
«Und die wären?» Ihre Stimme klang schneidend.
« Der Einstich einer Injektionsnadel am Handgelenk der Toten. Und noch etwas – eine Bemerkung, die ich in Jerusalem mit anhörte, in einer klaren, stillen Nacht, als ich mein Schlafzimmerfenster schließen wollte. Soll ich Ihnen den genauen Wortlaut verraten, Miss King? Nun denn. Ich hörte Mr Raymond Boynton sagen: ‹ Du siehst doch ein, dass sie sterben muss? ›»
Er bemerkte, dass alle Farbe aus Sarahs Gesicht wich.
Sie sagte: « Das haben Sie gehört? »
«Ja.»
Die junge Frau starrte wie versteinert vor sich hin.
Schließlich sagte sie: «Ausgerechnet Sie mussten das hören!»
Poirot nickte. «Ja, ausgerechnet ich. Dergleichen kommt vor. Verstehen Sie jetzt, warum ich meine, dass eine Untersuchung erforderlich ist?»
Sarah sagte leise: «Ich glaube, Sie haben Recht.»
«Ah! Und werden Sie mir helfen?»
«Selbstverständlich.»
Es klang sachlich, emotionslos. Sie blickte Poirot kühl in die Augen.
Poirot deutete eine Verbeugung an. «Ich danke Ihnen, Mademoiselle. Dann möchte ich Sie jetzt bitten, mir in Ihren eigenen Worten exakt alle Ereignisse des bewussten Tages zu schildern, an die Sie sich erinnern.»
Sarah dachte kurz nach.
«Lassen Sie mich überlegen. Vormittags haben wir einen Ausflug gemacht. Von den Boyntons war keiner dabei. Ich sah sie erst beim Mittagessen. Sie waren gerade fertig, als wir zurückkamen. Mrs Boynton schien ungewöhnlich gut aufgelegt zu sein.»
«Sie war gewöhnlich nicht besonders freundlich, wie ich höre.»
«Das können Sie laut sagen!», bestätigte Sarah und verzog das Gesicht.
Dann schilderte sie, wie Mrs Boynton ihrer Familie für den Nachmittag freigegeben hatte.
«Auch das war ungewöhnlich?»
«O ja! Normalerweise wollte sie immer alle um sich haben.»
«Glauben Sie, dass sie vielleicht plötzlich Gewissensbisse hatte – dass sie hatte, wie sagt man – un bon moment? »
«Nein, das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen», sagte Sarah unverblümt.
«Was dachten Sie dann?»
«Ich war perplex. Ich hatte den Verdacht, dass es so eine Art Katz-und-Maus-Spiel war.»
«Würden Sie das bitte erläutern, Mademoiselle?»
«Es macht der Katze Spaß, die gefangene Maus loszulassen und sie dann wieder einzufangen. Mrs Boynton besaß eine ähnliche Mentalität. Ich dachte, dass sie eine neue Gemeinheit im Schilde führt.»
«Und was geschah dann, Mademoiselle?»
«Die Boyntons machten einen Spaziergang.»
«Alle?»
«Nein. Die Jüngste, Ginevra, musste im Camp bleiben. Sie sollte sich hinlegen.»
«War das auch ihr eigener Wunsch?»
«Nein. Aber darauf kam
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