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Der Tote am Steinkreuz

Der Tote am Steinkreuz

Titel: Der Tote am Steinkreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Tremayne
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und Mitleid. Sie kannten ihn, seit Teafa ihn in die Gemeinschaft gebracht hatte. Lady Teafa wurde von den Leuten hochgeachtet. Eber fand auch Zeit für den Jungen. Cranat aber nicht, sie duldete ihn nicht in ihrer Nähe. Auch Pater Gormán verbot dem Jungen, seine Kapelle zu betreten. Crón schien er gleichgültig zu sein.«
    »In einer angelsächsischen Gemeinschaft hätte man ihn gleich nach der Geburt getötet.« Eadulf konnte sich diese Bemerkung nicht verkneifen.
    »Eine feine christliche Einstellung, nicht wahr?«
    Eadulf errötete, und Fidelma bereute, was sie gesagt hatte, denn sie hegte keinen Zweifel, daß Eadulf selbst diese Einstellung fremd war.
    »Menschen mit körperlichen Behinderungen können nicht in ein Amt gewählt werden, können nicht König oder Fürst werden, doch sie sind Mitglieder der Gemeinschaft«, erklärte sie Eadulf geduldig. »Sie genießen alle anderen Rechte, nur ihre Verantwortung vor dem Gesetz ist entsprechend ihrer Behinderung eingeschränkt. Ein Epileptiker zum Beispiel gilt als voll verantwortlich, wenn er geistig gesund ist. Aber ein Taubstummer kann nicht zur Verantwortung gezogen werden, sondern der Kläger muß sich an seinen gesetzlichen Vormund wenden.«
    »Folglich nahm Móen also keine untergeordnete Stellung ein?« wunderte sich Eadulf.
    »Keineswegs«, erwiderte Fidelma. »Ich sagte dir schon, daß in diesem Fall Teafa hätte gerichtlich dagegen vorgehen können, denn eine schwere Geldbuße droht jedem, der einen Behinderten oder Kranken verspottet oder herabsetzt, ob Epileptiker, Leprakranker, Lahmer, Blinder oder Taubstummer.«
    »Anscheinend habe ich etwas über die Gesetze der fünf Königreiche dazugelernt«, meinte Eadulf zerknirscht.
    »Das sind aber nicht die Gesetze, die wir laut unserem Pater Gormán befolgen sollten«, bemerkte Dubán unbeeindruckt.
    Fidelma wandte sich ihm interessiert zu.
    »Kannst du mir das bitte näher erklären?«
    »Pater Gormán predigt in seiner Kirche nach den Richtlinien aus Rom. Nach den Bußregeln, wie er es nennt.«
    Fidelma wußte, daß viele der neuen Gedanken, die aus Rom kamen, in die fünf Königreiche eindrangen und einige Rom anhängende Kleriker sogar versuchten, diese neuen Vorstellungen in die Gesetze einzubringen. Ein neues System römischen kirchlichen Rechts entstand neben den ursprünglichen Zivil- und Strafgesetzen.
    Sie erinnerte sich an die Bemerkung des Abts Cathal von Lios Mhór, daß Pater Gormán ein energischer Verfechter der römischen Bräuche sei und sogar eine weitere Kapelle in Ard Mór mit Geld gebaut hatte, das die Anhänger der prorömischen Richtung gesammelt hatten. Der Streit unter den Geistlichen der fünf Königreiche wurde immer erbitterter. Das Konzil von Whitby im Königreich Oswys vor zwei Jahren, bei dem sie Eadulf zum ersten Mal begegnet war, hatte nur dazu geführt, die Meinungsunterschiede zu vertiefen. Oswy hatte das Konzil aufgefordert, die Unterschiede zwischen den Vorstellungen der römischen Kirche und denen der Kirchen der fünf Königreiche zu erörtern. Trotz aller guten Argumente hatte Oswy zugunsten von Rom entschieden, was jenen Geistlichen in den fünf Königreichen Auftrieb gab, die die Autorität Roms auch dort aufrichten wollten. Es war bekannt, daß Ultán, der Erzbischof von Ard Macha und Primus der fünf Königreiche, Rom zuneigte. Doch ohnehin akzeptierte nicht jeder Ultáns Autorität. Es gab die verschiedensten Gruppen, von denen jede ihre eigene Auslegung des neuen Glaubens verfocht.
    »Willst du damit sagen, daß Pater Gormán es nicht billigte, wie Teafa sich um Móen kümmerte?«
    »Ja.«
    »Du vermutetest, daß Teafa sich irgendwie mit Móen verständigen konnte. Gelang das sonst noch jemandem?«
    Dubán schüttelte den Kopf.
    »Soweit ich weiß, hatte sonst niemand Kontakt mit ihm, nur Teafa.«
    »Und wie brachte Teafa das fertig?«
    »Das kann ich wirklich nicht sagen.«
    »Es ist eine kleine Gemeinschaft hier. Irgend jemand muß doch wissen, wie sie das machte?«
    Dubán zuckte die Schultern.
    »Heißt das, daß Móen gar nicht weiß, was er verbrochen haben soll oder weshalb er gefesselt ist?« fragte Fidelma entsetzt.
    Dubán starrte sie ein paar Sekunden an.
    »Natürlich muß ihm das klar sein. Er hatte doch gerade Teafa und Eber umgebracht. Was sollte er sonst denken, weshalb er festgenommen und angekettet wurde?«
    »Falls er Teafa und Eber tatsächlich getötet hat«, stimmte Fidelma zu. »Aber falls er es nicht tat? Dann wüßte er nicht, warum er

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