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Der Tote am Steinkreuz

Der Tote am Steinkreuz

Titel: Der Tote am Steinkreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Tremayne
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Richtung und gab kein Zeichen der Begrüßung von sich, sondern ging zu dem leeren Stuhl und setzte sich neben ihre Tochter.
    Für eine Frau nahe fünfzig war Cranat noch schön zu nennen. Sie hatte sich ihre Figur bewahrt. Es lag etwas Aristokratisches in ihrem ovalen Gesicht, ihrem hellen, zarten Teint. Ihr goldenes Haar zeigte keine Spur von Grau und fiel ihr lang über die Schultern. Ihre Hände waren wohlgeformt und schlank. Fidelma sah, daß die Nägel sorgfältig geschnitten und poliert und künstlich rot gefärbt waren. Beerensaft half dem Schwarz ihrer Brauen nach, und auf ihren Wangen lag ein Hauch von ruam, dem rötlichen Saft der Zweige und Beeren des Holunders. Mit Parfüm hatte Cranat auch nicht gespart. Ein schwerer Rosenduft umgab sie. Cranat hatte eine königliche Haltung eingenommen.
    Sie trug ein Kleid aus roter Seide, mit Gold besetzt, und dazu Armbänder aus Silber und heller Bronze und ein goldenes Halsband. Cranat besaß offensichtlich Reichtümer, und ihre Haltung bewies, daß sie von höherem Rang war und nicht einfach nur die Frau des Fürsten von Araglin.
    Fidelma wartete ein paar Augenblicke, ob Cranat sie wenigstens mit einem Blick begrüßen würde.
    Schließlich war es Crón, die Tanist, die das Schweigen brach. Sie sprach, ohne sich von ihrem Sessel zu erheben.
    »Mutter, dies ist Fidelma, die Anwältin, die gekommen ist, um das Urteil über Móen zu sprechen.«
    Erst jetzt hob Cranat den Kopf, und Fidelma blickte in dieselben kalten blauen Augen wie die der Tochter Cranats, Crón.
    »Meine Mutter«, fuhr Crón fort, »Cranat von den Déisi.«
    Fidelma verzog keine Miene. Diese Vorstellung erklärte die Haltung Cranats. Der Legende nach war während des Großkönigtums von Cormac mac Airt die Sippe der Déisi aus ihrem angestammten Land um Tara herum verbannt worden. Einige von ihnen waren ins Land der Briten geflohen, andere hatten sich im Königreich Muman angesiedelt und sich in zwei Sippen geteilt, die nördlichen und die südlichen Déisi. Wenn Crón ihre Mutter als »von den Déisi« vorstellte, bedeutete das, daß Cranat die Tochter eines Fürsten ihres Stammes war. Doch selbst das entschuldigte nicht die Art, wie sie es unterlassen hatte, Fidelma zu begrüßen. Ärger rötete Fidelmas Gesicht. Einmal hatte sie diese Kränkung ihres Ranges und ihrer Stellung durchgehen lassen. Ein zweites Mal durfte sie das nicht tun, wenn sie diese Untersuchung in der Hand behalten wollte.
    Anstatt sich zu setzen, trat sie ruhig auf das erhöhte Podium, also auf die gleiche Stufe mit Crón und Cranat.
    »Eadulf, stelle einen Stuhl für mich hierher«, befahl sie kühl.
    Die Entrüstung auf den Gesichtern Cranats und ihrer Tochter bewies, daß sie es nicht gewohnt waren, daß jemand ihre Autorität anzweifelte.
    Eadulf unterdrückte ein belustigtes Lächeln, denn er wußte, wie Fidelma die Etikette durchzusetzen verstand, wenn sie nicht beachtet wurde. Rasch nahm er einen Stuhl und stellte ihn auf den Platz, auf den Fidelma deutete. Er wußte, wie wenig sich Fidelma normalerweise aus Rechten und Privilegien machte. Nur wenn andere Leute die Etikette benutzten, um zu Unrecht Autorität zu beanspruchen, wies Fidelma sie streng zurecht.
    »Schwester, du vergißt dich!«
    Es war der erste Satz, den Cranat sprach, und zwar in entrüstetem Tonfall.
    Fidelma hatte sich gesetzt und betrachtete die Witwe des Fürsten mit ausdrucksloser Miene.
    »Was habe ich deiner Meinung nach vergessen, Cranat von Araglin?«
    Ihre sanfte Betonung des Titels hatte ihre Bedeutung.
    Cranat schluckte hörbar und konnte nicht antworten.
    »Meine Mutter ist …«, setzte Crón an, brach aber ab, als Fidelma sich ihr zuwandte. »Ach …« Sie erkannte plötzlich, auf welchen Bruch der Etikette Fidelma sie aufmerksam gemacht hatte. Rasch wandte sie sich an ihre Mutter. »Ich habe vergessen, dir zu sagen, daß Schwester Fidelma nicht nur Anwältin ist, sondern auch die Schwester von Colgú von Cashel.«
    Bevor Cranat das verdauen konnte, beugte sich Fidelma vor. Sie sprach höflich, doch mit fester Stimme.
    »Lassen wir mal meine Herkunft und die Königswürde meines Bruders beiseite«, begann sie und hielt kurz inne, denn damit hatte sie bereits Cranats königliche Ansprüche erledigt, »so besitze ich den Rang eines anruth und darf in Anwesenheit des Großkönigs der fünf Königreiche sitzen und auf gleicher Ebene mit ihm sprechen.«
    Cranats Mund wurde zu einem schmalen Strich. Ihre eiskalten Augen richteten sich auf einen

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