Der Tote im Schnee
und wandte sich an Gunnel Sagander.
Sie erwiderte nichts, sondern nickte nur. Berglund reichte ihr die Hand. Lindell blieb noch einen Moment stehen.
»Sie kannten doch sicher auch John«, sagte sie.
»Ja natürlich. Er hat viele Jahre in der Werkstatt gearbeitet. Ich mochte ihn.«
»Sein Sohn Justus ist verschwunden. Haben Sie eine Ahnung, wo er stecken könnte?«
Gunnel schüttelte den Kopf.
»Ist er weggelaufen? Der arme Junge.«
Ein Wagen sprang an. Der Streifenwagen rollte davon. Lindell gab der Frau die Hand und bedankte sich für den Kaffee. Haver und Berglund wollten sich gerade ins Auto setzen, als Haver erstarrte. Lindell sah, daß er sich ein paar Meter vom Auto entfernte, in die Hocke ging und Berglund ein paar Worte zurief. Dieser streckte sich in den Wagen und holte etwas heraus.
»Was ist denn los?« fragte Gunnel Sagander besorgt.
»Ich weiß es nicht«, antwortete Lindell.
»Ich hätte da so eine Idee, wo Justus eventuell sein könnte. John und Erki aus der Werkstatt waren sehr eng miteinander befreundet.«
Lindell hatte Mühe, sich darauf zu konzentrieren, was die Frau ihr sagte. Die Hofbeleuchtung tauchte die Stelle, an der Haver und Berglund hockten, nur in schwaches Licht. Berglund schaltete eine Taschenlampe an. Lindell sah Havers Erregung an der Art, wie er sich Berglund zuwandte. Dieser schüttelte den Kopf, sah zum Haus hinauf, stand auf und holte sein Handy heraus.
»Erki war fast so etwas wie ein Vater für John, vor allem am Anfang«, fuhr Gunnel Sagander fort, »als er noch ein wenig unsicher war. John konnte nämlich auch ziemlich hitzköpfig sein, aber das machte Erki nichts aus.«
Lindell streckte den Hals.
»Was machen die beiden da unten? Haben sie was verloren?«
»Vielleicht haben sie was gefunden«, meinte Lindell. »Was haben Sie über Johns Arbeitskollegen gesagt?«
»Daß Justus vielleicht zu Erki gegangen ist. Ich weiß, daß er den Finnen sehr gern hat.«
»Können Sie mir seine Adresse geben?«
»Früher wohnte er in Årsta, aber ich glaube, er ist nach Bälinge gezogen.«
Haver richtete sich auf, griff sich ins Kreuz und sagte etwas zu Berglund.
»Ich kann Agne fragen. Wir könnten Erki anrufen.«
»Fragen Sie Agne, ich rufe Erki dann an«, sagte Lindell.
Gunnel ging ins Haus, und Lindell eilte zu ihren Kollegen hinab. Die Temperatur war spürbar gefallen, es war klirrend kalt geworden. Sie zog den Schal enger um den Hals.
Der Atem hing den Kollegen wie eine Wolke vor dem Mund.
»Was ist los?« fragte Ann.
Haver sah sie an, und aus seinen Augen war jede Spur von Müdigkeit gewichen.
»Abdrücke«, sagte er nur und zeigte auf die Erde zu seinen Füßen. Lindell meinte, ein Lächeln auf seinen Lippen zu sehen.
»Das mußt du mir schon etwas genauer erklären«, sagte sie.
Haver berichtete von der Reifenspur auf der Schneekippe, wo sie John gefunden hatten.
»Du glaubst, es ist der gleiche Wagen?«
Haver nickte.
»Eskil ist unterwegs«, sagte er, und Lindell sah, wie nervös er war.
»Sollen wir Saganders Frau fragen, wer zu Besuch gewesen ist?« fragte sie, und im gleichen Moment klingelte ihr Handy. Es war ihre Mutter, die sich erkundigte, wo sie steckte. Erik war wach geworden, hatte einen Brei bekommen und war wieder eingeschlafen, mittlerweile jedoch erneut aufgewacht.
»Schreit er?« wollte Ann wissen und entfernte sich von den Kollegen.
»Nein, nicht direkt«, erwiderte ihre Mutter, und Ann fragte sich insgeheim, was sie damit meinte.
»Ich komme bald nach Hause«, sagte sie. »Gib ihm ein bißchen Banane, die ißt er gern.«
»Er braucht keine Banane, er braucht seine Mutter.«
»Er hat seine Großmutter«, sagte Ann und bereute ihre Worte im gleichen Moment.
Es wurde totenstill in der Leitung.
»Komm nach Hause«, sagte ihre Mutter schließlich und legte auf.
Ann Lindell blieb mit dem Telefon in der Hand stehen, sah zu Haver und Berglund hinüber, tat, als würde sie das Gespräch auf normale Weise beenden und kehrte zu ihren Kollegen zurück.
»Die Babysitterin?« meinte Berglund.
Lindell nickte und sah, daß Berglund Haver zublinzelte.
Im gleichen Moment näherte sich Rydes altes Auto auf der Straße. Er bremste und schien zu zögern, ehe er in die Auffahrt zu Saganders Haus einbog.
Lindell ging zu Gunnel Sagander zurück, die oben vor dem Haus stand und fror.
»Sollen wir reingehen?« fragte Lindell.
Die Frau schüttelte den Kopf.
»Was ist denn eigentlich los?« erkundigte sie sich und sah Lindell durchdringend
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