Der Tote im Schnee
für immer aneinandergeschmiedet sein würden.
Lennart drehte sich um und nickte versöhnlich. Ein Tropfen von Berits Speichel hing noch auf seinem bärtigen Kinn.
Beatrice bekam die Adresse von Justus’ Freund und Johns und Lennarts Mutter, ging in den Flur hinaus, rief Haver an und bat ihn, dafür zu sorgen, daß die Mutter benachrichtigt würde.
Als sie in die Küche zurückkehrte, trank Lennart eine Flasche Bier. Das wäre jetzt nicht das Verkehrteste, dachte sie.
»Berit«, sagte sie, »wissen Sie, wo John gestern hinwollte?«
Berit schüttelte den Kopf.
»Ich muß das fragen.«
»Ich weiß es nicht.«
»Er hat nichts gesagt, als er ging?«
Berit senkte den Kopf und versuchte anscheinend, sich zu erinnern, wie der gestrige Tag ausgesehen hatte. Beatrice konnte sich ausmalen, wie die Frau in Gedanken noch einmal die letzten Minuten durchspielte, bevor John für immer aus ihrem Leben verschwunden war. Wie oft würde sie diesen Tag noch erleben?
»Er war wie immer«, meinte sie schließlich. »Ich glaube, er hat was von einer Zoohandlung gesagt. Er wollte eine Pumpe abholen, die er bestellt hatte.«
»In welchem Geschäft?«
»Keine Ahnung. Er ging in alle.«
Sie begann wieder zu schluchzen.
»Er hat ein echt tolles Aquarium«, sagte Lennart. »Es stand sogar was in der Zeitung darüber.«
Es wurde still.
»Ich dachte, er würde beim Schneeräumen helfen. Er hat davon gesprochen, bei einem Dachdecker, den er kennt, nach einem Job zu fragen.«
»Bei Micke?« erkundigte sich Lennart.
Berit sah ihren Schwager an und nickte. Micke, dachte Beatrice, jetzt kommen die ganzen Namen.
Haver, Beatrice, Wende, Berglund, Fredriksson, Riis, Lundin und Ottosson hatten sich um eine gigantische Dose mit Pfefferkuchen versammelt. Fredriksson nahm sich einen ansehnlichen Haufen und stapelte die Kekse vor seiner Tasse auf. Elf Stück, stellte Beatrice fest.
Ottosson verzichtete auf Kekse, als die Dose zu seinem Platz geschoben wurde.
»Nimm einen«, sagte Riis.
»Nein danke«, erwiderte der Leiter des Kommissariats.
»Der kleine John ist verblutet«, sagte Haver plötzlich.
»Einer oder mehrere Täter haben ihm Stiche mit einem Messer oder einem anderen scharfen Gegenstand zugefügt, an denen er verblutet ist.«
Die Ermittlungsbeamten, die sich um den Tisch versammelt hatten, verarbeiteten schweigend die Information. Haver machte eine Pause. Er stellte sich vor, daß die Kollegen in Gedanken vor sich sahen, wie das Leben des kleinen John geendet hatte.
»Vor seinem Tod ist er wiederholt Schlägen gegen Gesicht und Rumpf ausgesetzt gewesen«, fuhr Haver fort. »Außerdem fanden sich Brandmale, wahrscheinlich von Zigaretten, auf den Armen und den Geschlechtsteilen.«
»Wir suchen einen sadistischen Raucher«, bemerkte Riis trocken.
»Sind nicht alle Raucher sadistisch?« fragte Lundin.
Haver warf ihm einen Blick zu und fuhr fort: »Der Tod ist wahrscheinlich zwischen vier und acht Uhr gestern abend eingetreten. Der genaue Zeitpunkt läßt sich nur schwer ermitteln, weil der Tote so stark ausgekühlt war.«
»Hatte er Alkohol oder Drogen im Blut?« erkundigte sich Ottosson.
»Ein bißchen Alkohol, ansonsten war er clean. Das einzige, was sie feststellen konnten, war ein beginnendes Magengeschwür und eine Leber, der es hätte besser gehen können.«
»War er Alkoholiker?«
»Nein, das kann man so nicht sagen, aber die Leber hat viel arbeiten müssen«, antwortete Haver und sah plötzlich sehr müde aus.
»Ist er vielleicht aus Versehen gestorben?« fragte Beatrice.
»Daß er nach vielen kleineren Stichen verblutet ist, deutet auf eine langwierige Prozedur hin. Wenn man jemanden mit einem Messer ermorden will, sticht man doch eher sofort ordentlich zu.«
Das ist alles absurd, dachte Haver. »Folter«, sagte er. »Man muß ihn gefoltert haben.«
»Er war ein zäher Bursche«, bemerkte Ottosson. »Ich glaube nicht, daß er leicht kleinzukriegen war.«
»So was kann man nicht wissen«, meinte Fredriksson und nahm seinen achten Keks. »Es ist eine Sache, unberührt vor dem Schreibtisch zu sitzen, wenn man wegen eines Diebstahls verhört wird, aber was ganz anderes, sich nicht fertigmachen zu lassen, wenn man zu Tode gepeinigt wird.«
Ottosson war eigentlich niemand, der vehement auf seiner Meinung beharrte, aber diesmal blieb er dabei: »Der kleine John konnte halsstarrig sein. Außerdem hatte er Mut. Obwohl er so schmächtig war, gab er niemals auf.«
»Aber du hast ihn auch sicher nicht
Weitere Kostenlose Bücher