Der Tote in der Wäschetruhe
nur, streckt ihm ihren Bauch entgegen und triumphiert: »Guck mal, wie der wächst. Ich bin schwanger. Bilde dir aber nicht ein, dass du der Vater bist. Das Kind ist von einem anderen Mann.« Außer sich vor Wut, Enttäuschung, Kränkung und Entsetzen packt er seine Frau mit beiden Händen an den Schultern und schüttelt sie durch. »Von wem ist es? Sag, dass es nicht stimmt«, fleht er sie an. Marika lacht nur noch lauter, streckt wieder den Bauch vor und entgegnet: »Was geht es dich an. Ich lass mich doch sowieso scheiden. Denk dran, Kühlschrank und Fernseher nehme ich mit, den anderen Krempel kannst du behalten.«
Es ist der Moment gekommen, in dem Horst Napalke jede Beherrschung verliert. Seine Hände umfassen den Hals, die Daumen drücken fest auf den Kehlkopf. Marika lässt das Messer fallen. Verzweifelt, voller Entsetzen und panischer Angst fuchtelt sie mit den Armen herum und es gelingt ihr, sich aus der Umklammerung zu befreien. Sie flüchtet ins Schlafzimmer, doch noch ehe sie den Schlüssel von innen im Schloss umdrehen kann, ist der wütende Mann bei ihr. Er schmeißt sie auf ihr Bett und würgt sie erneut. Plötzlich erlahmt ihre Gegenwehr. Seine Frau bleibt regungslos liegen. Getrieben von Eifersucht und Vergeltungswillen für die ihm zugefügte Schmach und seine verletzte Männlichkeit rammt ihr Horst Napalke wie von Sinnen das Brotmesser in den Leib.
Wochen sind seit der Tat vergangen. Horst Napalke hat zeitlichen Abstand.
In einer der folgenden Vernehmungen schildert er seine Gemütsverfassung an jenem verhängnisvollen Abend so:
»Für mich war irgendwie eine Welt zusammengebrochen, dass meine Frau doch fremdgegangen ist, mich so lange belogen und betrogen hat, von ihren Eltern unterstützt worden ist und sogar noch ein Kind von (...) kriegt. Da habe ich mir gedacht: >Bringst beide um.< Diesen Gedanken hatte ich während meiner Handlung. Vorher habe ich so etwas nicht gedacht und auch nicht geplant. Die Stiche in den Bauch habe ich deswegen gegeben, weil ich das Kind töten wollte. Die Brust abschneiden wollte ich deswegen, damit das Kind keine Nahrung hat. Weil die Brust nicht abging und ich sie richtig zerstören und vernichten wollte, habe ich auch in sie hineingestochen. Ich war so in Wut, so dass Kind und Frau sterben sollten ...«
Im psychiatrischen Gutachten der Medizinischen Akademie Dresden werden Horst Napalke Gesundheit und Leistungsfähigkeit bescheinigt. Anfängliche Entwicklungsverzögerungen, die zum Besuch der Sonderschule führten, hat er später aufgeholt. Er ist im medizinischen wie auch sozialen Sinne weit weg von einer Schwachsinnigkeit, die Zurechnungsfähigkeit und Schuld mindern würde. Doch als Persönlichkeit mit festen Strukturen konnte er sich durch das ungewöhnliche Mitschleppen durch sechs Ehen nicht entwickeln. Er war leicht zu animieren und ebenso leicht zu verstimmen. Er brachte nicht genügend Stabilität mit, um eine dauerhafte Ehe zu führen, zumal er an eine labile Partnerin geraten war, mit der er sich zwar lustvoll ausleben, aber mit der er keine wirkliche Beziehung aufbauen konnte. Gepaart mit spontaner abnormer Eifersucht war so der
Nährboden gegeben, in dem sich die Tat im Affekt bis zu ihrem grausigen Abschluss entwickelte, stellt der Gutachter fest.
Die Staatsanwaltschaft klagt Horst Napalke Ende Dezember 1976 wegen Totschlags in einem Zustand starker Erregung an. Überraschend kommt das Bezirksgericht Cottbus einen Monat später in seinem Urteil zu einem anderen Ergebnis. Nach Ansicht der Richter hat der Angeklagte seinen starken Erregungszustand zur Tatzeit durch eigenes Verschulden mit hervorgerufen. Dadurch war die Tat nicht »nur« ein Totschlag, sondern Mord. Das Gericht verurteilt Horst Napalke zu zwölf Jahren Freiheitsentzug.
Das Urteil hat vor dem Obersten Gericht keinen Bestand. Der fünfte Strafsenat hebt es Anfang März im Schuld- und Strafausspruch auf. Horst Napalke wird wegen Totschlags zu neun Jahren Haft verurteilt.
Bleibt noch anzumerken: Gerichtsmediziner haben bei der Obduktion zweifelsfrei festgestellt, dass Marika Napalke nicht schwanger war.
RÄTSELHAFTE KRIMINALFÄLLE
DIE RUSSISCHE LÖSUNG
In den Morgenstunden des 19. Januar 1986 wird eine Leiche an der Fernverkehrsstraße 97 bei Lakoma vor den Toren von Cottbus gefunden. Die Frau hat keine Papiere bei sich und kann deshalb zunächst nicht identifiziert werden. Am 20. Januar bittet die Polizei in der örtlichen Tageszeitung »Lausitzer Rundschau« die Bevölkerung
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