Der Tote vom Maschsee
einen Vortrag gehalten.«
»Und das sagst du mir jetzt?«
»Wann denn sonst?«, erwidert Oda.
Völxen beiÃt die Zähne zusammen. »Woher weiÃt du von dem Vortrag?«
»Ich war dort.«
Sie setzen sich in eine windstille Ecke der Terrasse.
Völxen telefoniert mit Fernando. Er soll herausfinden, ob Martin Offermann
Angehörige hat, ob etwas gegen ihn vorliegt, die übliche Prozedur: »Und dann
fahrt in die Praxis nach Kleefeld und redet mit einer gewissen Dr. Liliane
Fender, das muss seine Kollegin sein. â Todeszeitpunkt? Mitternacht, plusminus
eine. Hat sich die Pathologie schon wegen der Zunge gemeldet? â Die sollen auch
die DNA
überprüfen. â Ja, Offermann wurde die Zunge raus ⦠Augenblick. Ich meld mich
wieder.«
»Was darf es für die Herrschaften sein?«, erkundigt sich ein Mädchen
mit einem langen blonden Pferdeschwanz, das an ihren Tisch getreten ist.
»Einen Sommersalat mit Thunfisch und eine groÃe Apfelschorle«,
bestellt Völxen.
»Wir haben heute auch Spezialitäten vom Lamm. Lammlachse auf
Frühlingsgemüse mit Rucola, Lammkotelett vom Grill mit Folienkartoffel oder die
Lammkeule mit Bärlauchkartoffeln und Salatteller.«
»Nein, danke!«, wehrt Völxen entrüstet ab.
»Für mich bitte den gleichen Salat und ein Pils vom Fass, ein
groÃes«, ordert Oda.
Die Bedienung verschwindet.
»Verdammte Lämmerfresserei. Sind wir in Anatolien, oder was?«, regt
sich Völxen auf.
»Scher dich nicht drum«, rät Oda.
Ihr Chef schweigt und runzelt die Stirn. Er ist diese ewigen
Schafswitze leid und auÃerdem ärgert er sich, nicht ebenfalls ein Bier vom Fass
bestellt zu haben.
»Warum eigentlich Schafe? Warum kein Hund, oder Katzen. Oder
Hühner?«, forscht Oda nach.
»Mäht ein Huhn meinen Rasen?«
»Der Rasen ist doch nur ein Vorwand.«
»Schafe sind einfach schöne, archaische Tiere«, rechtfertigt sich
Völxen.
»Rülpsende Wiederkäuer.«
»Sie stehen für Sanftheit, Duldsamkeit, Unschuld. Eigenschaften,
denen ich im Alltag selten begegne«, fügt Völxen mit einem grimmigen
Seitenblick hinzu.
»Opfertiere, Opferlämmer«, assoziiert Oda. »Und das, wo du doch
andauernd mit Opfern zu tun hast.«
»Jetzt mach mir hier nicht den Sigmund, ja«, brummt Völxen
missmutig.
»Bestell doch auch ein Bier. Ich erzähle es niemandem.«
Völxen klopft sich gegen den Bauch. »Ich muss abnehmen. Wanda hat
gesagt, ich sei fett.«
»Töchter sind grausam.«
»Und Sabine hat dazu geschwiegen«, klagt Völxen.
»Ein Waschbrettbauch ist nicht alles. Dafür hast du eine Waschbrettstirn.
Auf so was stehen die Frauen.«
»Wirklich? Dann schnapp dir doch den Bächle: Dackelstirn, ledig,
promoviert, ein sparsamer Schwabe mit Eigenheim. Nicht zu vergessen: die
Witwenrente.«
»Ich werde niemals mehr heiraten, Völxen. Die Ehe ist ein lauwarmer
Ort voller Kompromisse.«
Dem weià Völxen wenig entgegenzusetzen, also schlägt er vor:
»Bestimmt wäre der Bächle einer Affäre auch nicht abgeneigt.«
»Ich überlege es mir. Er ist etwas klein. Andererseits â kleine
Männer strengen sich mehr an und sind handlicher in der Badewanne.«
Hin und wieder wird man daran erinnert, dass Odas Vater Franzose
ist. Die Franzosen, so hat Völxen von Oda gelernt, reden andauernd über lâamour und Sex, am liebsten beim Essen, aber auch bei
jeder anderen Gelegenheit.
Wenigstens scheint Oda keine Antwort zu erwarten, denn sie sagt
tröstend zu Völxen: »Ein bisschen Bauch macht doch nichts, immerhin gehst du
stramm auf die fünfzig zu.«
»Hüte deine Zunge«, mahnt Völxen und quittert Odas Hinweis mit dem
finstersten Blick, der ihm zu Gebote steht, der jedoch an Oda abprallt wie
Wasser an einem Regenschirm. SchlieÃlich seufzt er: »Das ist auch so eine
Sache, die ich nicht kapiere. Wann ist das passiert, wann bin ich so ein alter
Sack geworden?«
»Ich weià genau, was du meinst«, winkt Oda resigniert ab. »Ich werde
dieses Jahr vierzig.«
»Das ist doch kein Alter.«
»Als ich neulich in Frankreich war, haben mir in zwei Wochen gerade
mal zwei Kerle nachgepfiffen. Und beim zweiten Mal war Veronika dabei.«
Die Getränke werden gebracht.
»Prost«, sagt Völxen. »Oder wie sie bei uns auf dem Land
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