Der Tote vom Maschsee
Offermanns
Personalausweis, den Völxen ihm daraufhin überlässt.
»Gell, ich habâs doch gâwusst!«, sagt er dann und schlägt mit der
rechten Faust in seine linke Handfläche. »Des isch der Dr. Offermann.« Bächle
schüttelt langsam den Kopf. »Immer so viel gâschwätzt, und jetzt so was.«
»Vielleicht genau deswegen«, murmelt Oda.
»Offermann, Offermann â¦Â«, grübelt Völxen. »Woher kenne ich den?«
»Vom Gericht und aus dem Fernsehen wahrscheinlich«, antwortet Oda.
»Er ist als Gutachter in Strafprozessen aufgetreten. Sexualstraftaten waren
sein Fachgebiet.«
»Schtimmt genau, Frau Krischtensen«, versichert Bächle eilig.
Dem Hauptkommissar dämmert es: »Mein Gott, ja. Der Offermann ist das?« Unwillkürlich macht Völxen Anstalten, auf die Leiche
zuzugehen, wird aber sofort von Rolf Fiedler angepfiffen: »Nur zu, Völxen!
Zertrampel auch du mir ruhig noch die Spuren.«
Völxen flucht leise. Er hasst es, an Tatorten herumstehen zu müssen,
und hat sich nach dem Anruf der Leitstelle extra Zeit gelassen. Aber wieder
heiÃt es warten, wie immer.
Wenigstens liefert Fiedler einen kleinen Zwischenbericht: »Am Wegrand
lagen Hülsen, Kaliber 9-mm-Parabellum.«
Er deutet auf eine Stelle, an der zwei seiner Kollegen gerade Scheinwerfer
aufstellen. Ein dritter gieÃt vor dem Steg Gips aus. Fiedlers Leute würden
sicherlich noch einige Stunden zu tun haben. »Die Leiche wurde vom Weg aus die
paar Meter da rübergezerrt, zum Steg, und von dort aus ins Wasser geworfen, es
gibt Schleifspuren und Faserspuren am Holz.« Die Stelle, von der der Leiter der
Spurensicherung spricht, liegt im Schatten eines Ahorns und ist spärlich mit
Gras und Unkraut bewachsen. Da es schon länger nicht mehr geregnet hat, ist die
Erde zwischen Weg und Wasser ausgetrocknet. Wie kann es da Spuren geben, fragt
sich Völxen. Aber die Spezialisten sehen Dinge, die der normale Mensch nicht
wahrnimmt, auch das ist immer so. Zum Glück. »Oda, wollen wir eine Kleinigkeit
essen gehen?«
Oda steht einen Zigarillo qualmend im grünen Dämmerlicht und scheint
den Ausblick zu genieÃen. Eine Weide ragt übers Wasser und badet ihre Zweige
darin. Kleine Wellen platschen ans Ufer, drei Enten nähern sich in der Hoffnung
auf Futter, ein Segler gleitet über die silbrige Wasserfläche, im Hintergrund
sonnt sich die Silhouette der Stadt.
»Oda, ich rede mit dir!«
»Ein schöner Platz zum Sterben.«
»Aber nicht auf diese Art«, widerspricht Völxen. »AuÃerdem hatte er
um die Uhrzeit, zu der er starb, wenig von der Aussicht. Also komm jetzt, ich
hab Kohldampf! Wir könnten mal wieder zu Mama Rodriguez gehen.«
Sie setzen sich in Bewegung. Vor der Absperrung zum Ohedamm steht
eine Gruppe Nordic Walker. Die rüstigen Senioren diskutieren mit dem
Polizisten: »Aber so sagen Sie uns doch wenigstens, was los ist!« â »Und wie
lange dauert das noch?« â »Aber die da dürfen doch auch durchgehen!« Einer
zeigt mit dem Stock auf die Kripobeamten.
»Kripo Hannover, es handelt sich um einen Leichenfund, und das
dauert noch Stunden«, sagt Völxen, woraufhin die knallbunt gekleidete Meute
aufgeregt tuschelnd den Rückzug antritt.
»Diese Stöcke, diese Klamotten«, meint Oda kopfschüttelnd, »wie kann
sich ein Mensch so lächerlich machen?«
Völxen sagt nichts dazu.
»Wir gehen ins Marriott«, bestimmt Oda im Weitergehen.
»Nichts da! Bin ich Krösus?«
»Stell dich nicht so an. Du bist eine Besoldungsgruppe über mir.
»Ich muss sparen, ich habe Familie. Frau, Kind, Schafe.« â Die Schafe
⦠Natürlich hat Sabine recht behalten. »Die werden einen Haufen Geld kosten und
mehr Arbeit machen als das Mähen«, hat sie vor einem Jahr prophezeit. »Bestimmt
nicht. Schafe sind genügsam und pflegeleicht«, hat Völxen entgegnet. »Du wirst
schon sehen.« Ein kleines Vermögen hat er seitdem ausgegeben für bewegliche
Elektrozäune, Kraftfutter, Wurmkuren, den Tierarzt, nicht zu vergessen die
Gebühren für den Kursus Schafe selbst scheren . Es
wäre billiger gewesen, den Rasentraktor reparieren zu lassen.
»Wir müssen doch sowieso da hin«, beharrt Oda.
»Gut, wenn es denn sein muss«, lenkt ihr Vorgesetzter irritiert ein.
»Offermann hat dort gestern Abend
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