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Der Tote vom Silbersee (German Edition)

Der Tote vom Silbersee (German Edition)

Titel: Der Tote vom Silbersee (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Schmid , Christine Schneider
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angesprochen hätten. Was hätte er sagen sollen? Dass sein Vater ihn verprügelte? Und nun hatten ihn Knollennase und Flachgesicht wieder einmal abgefangen.
    Gebückt war er danach nach Hause gelaufen. Er wusste nicht, was mehr schmerzte: die körperliche oder die seelische Pein. Tiefrot war sein Gesicht vor Scham. Warum schaffte er es nicht, sich zu wehren?
    Seine Mutter sah ihn immer nur an. Tieftraurig. Sagte kein Wort. Sie fragte nie, wenn er von der Schule nach Hause kam, warum er blaue Flecken im Gesicht hatte. Oder warum seine Jacke fehlte oder der Henkel von seiner Schultasche kaputt war. So wie sie überhaupt nie fragte oder ihm gar half. Er ballte die Faust. Als er sie wieder öffnete, sah er, dass seine Fingernägel die Haut aufgerissen hatten. Er blutete.

6
    Lenas Hände zitterten und ihr Herz raste. Sie hatte definitiv zu viel Kaffee getrunken. Zügigen Schrittes ging sie den Alfred-Hensel-Weg entlang. Den Silbersee ließ sie rechts liegen. Er war mit rot-weißen Bändern abgesperrt. Dann bog sie links in die Große Straße ein. Der Volksfestplatz lag verlassen da. Im Herbst vor einem Jahr hatte sie sich hier mit ihren Kollegen vom Seminar bei Kettenkarussell, Autoscooter und zuletzt noch im Oxnzelt bei Bratwurst und einem alkoholfreien Weizen vergnügt. Lena leckte sich über die Lippen, während sie Trixi von einer Hecke wegzerrte. Sie hatte den Duft von Bratwurst in der Nase. »Bald«,murmelte sie. »Du bekommt auch eine Bratwurst, Trixi, versprochen, aber jetzt komm. Wir müssen in die Stadt.«
    Mit Trixi an der Leine stieg sie in die Sechser-Straßenbahn ein.
    Der Tag in Nürnberg erwachte. Von ihrem Fensterplatz in der Straßenbahn sah sie, wie Menschen zur Arbeit eilten, Kinder mit Ranzen auf dem Rücken in kleinen Grüppchen zusammenstanden und lachten. Es war viel zu früh, um Kommissarin Nürnberger einen Besuch abzustatten. So schlenderte sie den Burggraben entlang. Trixi freute sich. Sie schnüffelte ausgiebig an Grashalmen und zog Lena kreuz und quer den Weg entlang. Die Uhr an der Jakobskirche schlug achtmal, als sich Lena am Schalter des Polizeipräsidiums meldete.
    Der uniformierte Polizist hob den Hörer ab und verständigte die Kommissarin. Dann wies er auf die Bank im Empfangsraum.
    »Frau Nürnberger holt Sie gleich selber ab.«
    Lena ließ sich auf die harte Bank nieder und Trixi sprang auf ihren Schoß. Sie hatte kaum Zeit, die ausgehängten Steckbriefe zu lesen, als sie das Stakkato von klappernden Absätzen vernahm. Die Tür wurde aufgerissen und Bertaluise Nürnberger rauschte herein. Ihr sah man die kurze Nacht nicht an. Vielleicht war es die Farbe ihrer Kleider, die ihr ein blühendes Aussehen verlieh? Orange, von den hohen Schuhen bis zu den Ohrringen!
    Lena wunderte sich, warum die Kommissarin ihren schwarzen Zopf nicht auch der Farbe ihrer Kleider anglich.
    Sie schüttelte leicht ihren Kopf. Wie kam sie nur auf solche idiotischen Gedanken? Na ja, Schlafmangel konnte anscheinend einiges auslösen.
    »Grüß Gott, Frau Wälchli, hallo Trixi«, begrüßte sie die Kommissarin. Trixi ließ sich über den Kopf streicheln. Sie wedelte freudig.
    »Sie sehen schlimm aus, Frau Wälchli! Kommen Sie, wir trinken in der Kantine einen Kaffee zusammen.« Die Stimme der Kommissarin klang unverschämt munter.
    »Bitte, keinen Kaffee mehr! Ich habe vorhin eine ganze Kanne schwärzester Brühe getrunken«, stöhnte Lena und streckte eine zittrige Hand aus.
    »Das Zeug war wohl verdammt stark«, meinte die Kommissarin grinsend. »Sie bekommen einen Kakao! Kommen Sie, wir gehen lieber in mein Büro. Ich darf vorausgehen?«
    Lena wankte mehr, als dass sie ging. Endlose Gänge mit nummerierten Zimmertüren und Namensschildchen. Der lange Zopf der Beamtin tanzte munter im energischen Takt ihrer Schritte. Wie sie es schaffte, auf ihren schwindelerregend hohen Absätzen die Balance zu halten, war Lena ein Rätsel. Trixi mochte es nicht, wenn sie nicht die Spitze innehatte und zog an der Leine, bis sie kaum mehr Luft bekam.
    Zum Glück steuerte die Kommissarin auf eine Tür zu, bevor Trixi erstickte. An der Tür hing ein Herz – aus Gummibärchen!
    April 1969
    »Bessy ist krank, ärgere deinen Vater bloß nicht«, sagte die Mutter leise zu ihm. »Sie hat einen ganz dicken Bauch.«
    Sie saßen am Tisch und warteten auf den Vater. Unverhohlen blickte er zu seiner Mutter hinüber. Ein Auge war zugeschwollen, die Lippe aufgeplatzt. Er hatte den Vater bis in sein Zimmer im zweiten Stock schreien

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