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Der Tote von der Isar: Kriminalroman (German Edition)

Der Tote von der Isar: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Tote von der Isar: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schmitter
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gerade?«
    »Hören Sie«, Wendelins Stimme klang unsicher und dünn. »Ich bin in Haidhausen. Aber wenn Sie die anderen auch sprechen wollen …«
    »Zunächst will ich mit dir alleine reden. Wir können uns auch irgendwo treffen.«
    »Ich bin praktisch auf dem Weg zur S-Bahn. Ich muss nach Hause, verstehen Sie?«
    »Hm. Da ist doch ein winziges Café in der Balanstraße, wenige Schritte vor der Buchhandlung Lentner, auf derselben Seite. Mir fällt gerade der Name nicht ein.«
    »Ich weiß, was Sie meinen. Ich kann in zwanzig Minuten dort sein. Aber ich habe wirklich nicht viel Zeit.«
    Gerald hinterließ eine Nachricht auf dem Schreibtisch von Batzko. Der saß vermutlich immer noch im Büro von Tanja Hillenbrand.
    Gerald nahm die S-Bahn, stieg am Rosenheimer Platz aus und lief die wenigen Schritte bis zu dem Café. Es war tatsächlich winzig, mit nur einem einzigen länglichen Tisch für die Kunden, Ikea-Regalen an den Wänden, mit einem schmalen Sortiment an Schokoladen und Pralinen auf den Regalböden und einer winzigen Theke mit einer kleinen, aber feinen Auswahl an selbstgemachten Kuchen. Es war eines dieser kleinen Cafés, bei denen sich Gerald unwillkürlich fragte, ob das Café den Lebensunterhalt des Besitzers sicherte oder doch eher umgekehrt.
    Wendelin war der einzige Gast, ansonsten wäre es auch unmöglich gewesen, mit ihm ein vertrauliches Gespräch zu führen. Er saß am Kopfende des Tisches und rührte mit dem Kaffeelöffel in seinem Getränk. Als Gerald sich ihm näherte, hob er nur den Kopf, sagte aber nichts. Er trug wieder ein schwarzes, weit geschnittenes T-Shirt, das den schmalen Brustkorb darunter nur entfernt ahnen ließ. Unwillkürlich fragte sich Gerald beim Anblick der dünnen Arme, wie Wendelin überhaupt physisch in der Lage sein könnte, einen normal gebauten, erwachsenen Mann zu entführen. Aber es handelte sich ja allen Anzeichen nach um eine Gruppe. »Darf ich?«, fragte Gerald und setzte sich neben den Jungen. Der Stuhl machte auf dem Holzfußboden bei jeder Bewegung ein durchdringendes Geräusch. Wendelin nickte stumm und rührte in seinem Kakao, der von einer dunkelbraunen Hautschicht überzogen war. Die Besitzerin, die eine weiße, mit Backmotiven bestickte Schürze trug, kam an den Tisch. Sie hatte so viele Sommersprossen auf den Wangen, als wären sie über ihre Haut gesiebt worden. An ihrem rechten Ohrläppchen baumelte eine gut fünf Zentimeter große Miniaturausgabe des Eiffelturms.
    »Ich nehme das Gleiche wie der junge Mann.«
    »Heiße Schokolade, gut. Etwas Schlagsahne dazu?«
    »Danke, nein.«
    »Wir haben übrigens ganz frischen Bananen-Kokoskuchen. Oder Schokoladenkuchen mit Mandeln.«
    »Vielen Dank. Ein anderes Mal vielleicht.« Er hätte gerne, allein schon aus Sympathie für dieses Café, ein Stück Kuchen bestellt, aber es war eindeutig der falsche Zeitpunkt.
    Wendelin blickte demonstrativ auf die Uhr. »Was diese Glatze aus dem Osten angeht …«
    »Vergiss ihn fürs Erste«, sagte Gerald.
    »Häh? Aber warum sollte ich dann herkommen?«
    Gerald legte die Schülerzeitschrift, die er eingerollt in der Innentasche seines Jacketts mitgebracht hatte, auf den Tisch.
    »Ich finde, du schreibst richtig gut, sehr anschaulich. Man spürt eine tiefe persönliche Betroffenheit, und gleichzeitig kannst du einen Bogen spannen zu den großen politischen Problemen. Das finde ich erstaunlich. Willst du beruflich etwas in dieser Richtung machen? Vielleicht als Journalist arbeiten? Oder Schriftsteller werden?«
    Wendelin errötete heftig. Dadurch wirkte das sehr schmale, eigentlich blasse Gesicht noch viel jünger. »Schriftsteller? Ich meine, ja, ich schreibe gerne. Vielleicht versuche ich nach dem Abi ein Volontariat bei einer Zeitung zu bekommen. Aber was meinen Sie damit: tiefe persönliche Betroffenheit? Es geht doch gar nicht um mich.«
    »Aber um deinen Vater.«
    Wendelin senkte den Kopf, und die langen glatten Haare verdeckten sein Gesicht wie ein Vorhang.
    »Ich hätte den Artikel auch geschrieben, wenn das nicht mit ihm passiert wäre«, sagte er leise, aber nicht unbedingt überzeugend.
    »Seht ihr euch jetzt häufiger? Ich meine, du hast noch Ferien, und er verbringt nun ja viel Zeit daheim.«
    Der Junge schüttelte fast unmerklich den Kopf. Immer noch war sein Gesicht hinter den Haaren verborgen.
    »Du gehst ihm aus dem Weg … Aber dich trifft nicht die geringste Schuld, es war einfach eine Verkettung unglücklicher Umstände. Du konntest ja nichts dafür, dass

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