Der träumende Delphin
Surfer begannen, sich miteinander zu unterhalten.
»Hast du den Delphin gesehen?«
»Natürlich. Ich könnte schwören, daß er die gleichen Manöver versucht hat wie wir.«
»Das kann doch gar nicht sein. Woher soll ein Delphin das können?«
Darüber ärgerte sich Daniel sehr. »Wofür halten die sich eigentlich? Die sollten doch wissen, daß ich noch viel mehr kann.«
Dann wurde Daniel plötzlich bewußt, daß diese merkwürdigen Geschöpfe die Sprache der Delphine nicht verstanden. Während er verstehen konnte, was sie sagten, konnten sie die akustischen Signale, die er entsandte, nicht entschlüsseln.
Er bemerkte außerdem eine gewisse Überraschung in ihren Augen, sie hatten keine Angst vor ihm; er spürte sogar, daß er ihnen willkommen war.
Dann sprachen die beiden Wesen weiter miteinander, und Daniel hörte ihnen zu:
»Dieser Delphin muß ganz schön viel Zeit in den Wellen verbringen.«
»Mensch, wenn wir so atmen könnten wie er, dann könnten wir es wahrscheinlich genauso lange draußen in den großen Wellen aushalten.«
»Hüte dich vor einem Geschöpf namens Mensch«, schoß es Daniel wieder durch den Kopf.
Er geriet in Panik. Dies waren die Geschöpfe, von denen er gehört hatte und die vermutlich verantwortlich waren für all die Zerstörungen, denen er auf seiner Reise begegnet war. Er brachte die Lichter auf den Klippen jetzt mit den Lichtern in Verbindung, die jene schwarze Silhouette erleuchtet hatten, die dicht über dem Wasser zu schweben schien, Delphine tötete und das Meer zerstörte.
»Ist dies das Ende meiner Reise?« dachte er. »Werde ich jetzt sterben?«
Da sprach das Meer zu ihm:
Dort, wohin du gehst,
gibt es keine Wege, keine Pfade,
du kannst nur deinem Instinkt folgen.
Du hast die Zeichen beachtet
und bist endlich angekommen.
Nun mußt du
den großen Sprung ins Unbekannte wagen
und selbst herausfinden:
Wer im Unrecht ist.
Wer im Recht ist.
Wer du bist.
Eine Stimme in Daniels Herzen sagte ihm, daß er, auch wenn er viel Schlechtes über dieses Geschöpf namens Mensch gehört und gesehen hatte, diesen
beiden vertrauen konnte; denn er spürte, daß auch für sie das Wellenreiten eine Möglichkeit war, ihre Welt hinter sich zu lassen und ihre Träume auszuleben.
Daniel Delphin war so weit gekommen, weil er an sich selbst geglaubt hatte. Jetzt mußte er ein weiteres Mal seinem Instinkt vertrauen. So blieb er noch eine Weile, denn er spürte, daß etwas ganz Besonderes geschehen würde...
Und dann sah er sie, sah, wie sie von Westen herannahte.
Es war die perfekteste Welle, die er jemals am Horizont hatte auftauchen sehen. Sie wälzte sich dem Riff entgegen, türmte sich auf, als sie den Korallengrund berührte, und bildete eine lange, hohl überfallende Wasserwand.
Daniel Delphin wußte, daß dies die Welle war, von der er geträumt hatte. Er schwamm los, um seine Startposition einzunehmen. Auch die anderen Surfer sahen die Welle und paddelten schnell an ihre Plätze.
Sie erwischten die Welle alle drei, glitten senkrecht an ihr hinab und machten im Wellental eine radikale Wende. Daniel war als erster damit fertig und schleuderte seinen Körper wieder dem Wellenrand entgegen. Die anderen Surfer folgten ihm mit gewagten Richtungsänderungen und Manövern in der Gischt. Gegenseitig trieben sie sich bis zum Äußersten mit Manövern, die sie sich niemals zugetraut hätten. Während die perfekte Welle immer schneller voranrollte, begann sich das letzte Stück zu brechen, und die Surfer kamen der Erfüllung ihres Traums immer näher.
Sie brachten sich in Position und balancierten mit angehaltenem Atem zwischen Wellental und Kamm...
Langsam und immer tiefer wölbte sich der Wellenrand über ihnen, bis sie dort angelangt waren, wovon alle Surfer träumen: im Tunnel.
Es war so, als hätte sich endlich einmal die universale Sprache des Traumes durchgesetzt. Denn unabhängig von ihrer Herkunft verstanden nicht nur Daniel Alexander Delphin, sondern auch die beiden anderen Surfer, die Bedeutung dessen, was sie getan hatten.
Und das Meer sprach zu ihnen:
Einige Dinge werden immer stärker sein
als Zeit und Raum,
wichtiger als Sprache und Lebensart.
Zum Beispiel, deinen Träumen nachzugehen
und zu lernen, du selbst zu sein.
Mit anderen das wunderbare Geheimnis zu teilen,
das du entdeckt hast.
Daniel Alexander Delphin hatte an sich selbst geglaubt und war auf seiner Reise allen Zeichen gefolgt. Jetzt war er endlich auf der perfekten Welle geritten und hatte dabei
Weitere Kostenlose Bücher