Der träumende Delphin
deinem Instinkt«, sagte der Hai. »Und horch auf deine innere Stimme, denn die weiß genau, was du tun mußt, um dir deinen Traum zu erfüllen.«
Zu diesem Zeitpunkt fehlte Daniel das Wellenreiten mehr als je zuvor. Er wurde langsam traurig in dieser Welt voller Fremder; er wußte ja nicht einmal, ob er seine wunderbare Insel jemals Wiedersehen würde. Er hatte geglaubt, die Welt würde ihm lauter schöne Überraschungen bereiten, von denen er tatsächlich einige erlebt hatte, aber eben auch einige unangenehme.
In dieser Stimmung war ihm plötzlich fast danach, zu seiner Lagune zurückzukehren.
Doch wie versprochen war das Meer zur Stelle, um ihm zu helfen:
Träume bedeuten vielleicht
ein hartes Stück Arbeit.
Wenn wir versuchen, dem auszuweichen,
können wir den Grund,
warum wir zu träumen begannen,
aus den Augen verlieren,
und am Ende merken wir, daß der Traum
gar nicht mehr uns gehört.
Wenn wir einfach der Weisheit unseres Herzens
folgen, wird die Zeit vielleicht dafür sorgen,
daß wir unsere Bestimmung erfüllen.
Denk daran:
Gerade wenn du schon fast aufgeben willst,
gerade wenn du glaubst, daß das Leben
zu hart mit dir umspringt,
dann denk daran, wer du bist.
Denk an deinen Traum.
Daniel war froh zu wissen, daß er, solange er weiter darum kämpfte, seinen Traum zu verwirklichen, niemals allein sein würde. So schwamm er weiter, auf der Suche nach einem Ort, an dem er sich ein wenig ausruhen konnte.
Daniel sah, wie der alte Delphin von Westen herankam. Ruhig schwamm er durch die Weite des friedlichen, blauen Meeres.
Daniel schwamm auf ihn zu.
Da bemerkte der alte Delphin Daniel.
»Wie heißt du?« fragte er ihn mit sanfter Stimme.
»Ich bin Daniel Alexander Delphin.«
»Und was tust du so allein mitten im Ozean, Daniel Delphin?«
»Ich verfolge meinen Traum.«
Sofort veränderte sich die Miene des alten Delphins.
»Bist du derjenige, der die perfekte Welle sucht?« fragte er. Er sprach diese Worte mit ruhiger, kräftiger Stimme.
Daniel konnte nicht glauben, was er da hörte.
»Woher weißt du das?«
»Aus dem gleichen Grund, aus dem wir beide wissen, daß das Leben aus mehr besteht als nur aus Fischen und Schlafen«, sagte er. Dem alten Delphin versagte plötzlich die Stimme.
»Warum weinst du?«
Er sah Daniel fest an: »Ich weine, weil ich glücklicher bin als je zuvor. Nach so vielen Jahren habe ich mir endlich meinen Traum erfüllt.«
»Was meinst du damit?« fragte Daniel, der ihn nicht verstand.
»Ich war einmal genauso jung und stark wie du, Daniel«, sagte der alte Delphin. »Vor langer Zeit war ich ein Träumer wie du und stellte mir Fragen über das Leben, die mir nachts den Schlaf raubten.«
»Was ist passiert?«
»Eines Tages habe ich aufgehört zu träumen. Ich habe auf das Gesetz des Schwarms gehört anstatt auf die Stimme meines Herzens. Und ich habe angefangen, mich alt zu fühlen.
Aber mit dem Alter werden wir klüger«, setzte der alte Delphin seine Rede fort. »Und so kam der Tag, an dem mir klar wurde, daß ich jetzt endlich meinen Traum ausleben mußte, auch wenn ich mir gar nicht sicher war, ob ich es schaffen würde. Ich hatte in meinem Leben schon zuviel Zeit vergeudet und war müde. Aber ich spürte auch, daß ich nicht länger bei meinem Schwarm bleiben konnte, und so beschloß ich, trotzdem zu versuchen, meinen Traum zu verwirklichen.
Vor vielen Jahren habe ich mich auf die Reise gemacht und gelernt, daß es, je früher man beginnt, der Stimme seines Herzens zu vertrauen, um so einfacher ist, seine Träume zu verfolgen.
Vor einiger Zeit«, fuhr der alte Delphin fort, »durchquerte ich den Ozean. Ich war verwirrter als je zuvor und dachte, daß die Idee, in meinem hohen Alter noch einen Traum zu verfolgen, ein Fehler war und daß es besser für mich gewesen wäre, beim Schwarm zu bleiben und auf meinen Tod zu warten.« Er starrte zum Himmel hoch. »Ich war schon soweit, aufzugeben und umzukehren, da hörte ich eine Stimme.« Er wandte sich wieder zu Daniel: »Ich vermute, du hast sie auch schon gehört.«
»Ja«, sagte Daniel. Er war glücklich, daß er zum erstenmal in seinem Leben sein Geheimnis mit jemandem teilen konnte, der sich nicht über ihn lustig machte. »Die Stimme des Meeres... «
»Ja«, platzte der alte Delphin voller Freude heraus. »Sie hat mir gesagt, daß es besser sei, auch noch im hohen Alter seinen Träumen zu folgen, als es gar nicht zu tun.« Er holte tief Luft: »Jetzt kann ich in
Frieden weiterziehen«,
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