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Der Träumer

Der Träumer

Titel: Der Träumer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Lippen pfeifen, und meine Hände bohnern wie im Takt die Diele.
    Die Liebe ist ein Spiel zu zwei'n, und das heißt Er und Sie …
    Und morgen, morgen früh kommt Paulchen …
    Der Freund ist da und sitzt auf einer Teppichrolle und spricht weise Worte über liebestolle Männer. Soll ich ihn von der Teppichrolle stoßen, ihm mit Bohnerwachs den Mund stopfen? Ach, laß nur – dieser Bursche badet sich doch nur in einer den Ereignissen vorauseilenden Schadenfreude, denn er hat längst drei Kinder und trägt den Bauch gutgenährter Ehemänner vor sich her.
    »Also, sie kommt?« fragt er zum sechsten Male und krault sich seinen Kopf.
    »Ja!« schreie ich. »Sie kommt! Und morgen ist Verlobung!«
    »Bist du so sicher?« zweifelt dieser widerliche Freund. »Frauen tändeln in der Liebe gern. Wenn auch du die Karten mischt, die Trümpfe spielen immer sie.«
    »Du bist ein Ekel!« brülle ich und putze meine Fenster. »Verschwinde! Selbst mein toter Teppich mag sich weigern, noch länger dich zu tragen!«
    »Hast du ihn nötig, daß er dir beisteht in dieser Stunde deiner Unsicherheit?«
    »Ich bin nicht unsicher! Verschwinde, wiederhole ich! Ich habe noch zu tun, stör mich nicht länger! Ich will um zehn Uhr morgen vor Paulchen ein reiner Mensch in reiner Umgebung sein.«
    »Ein reiner Mensch ist reizlos. Wer im Leben nie sich einer Dummheit freute, ist ein Betrüger an der eigenen Menschlichkeit. Weißt du das nicht?«
    Was soll ich tun, der Freund bringt mich zum Rasen, denn was er spricht, ist Wahrheit, und ich selbst, ich Narr, hab' diesen Aphorismus geprägt? Was dieser Teufel auf der Teppichrolle jetzt und auch in den folgenden Minuten noch sagt, sind Zitate aus meinen anerkannten Büchern. Ich kann nicht widerrufen, was ich einst aus Überzeugung schrieb, und will es auch gar nicht widerrufen, weil es heute auch noch Wahrheit ist, solange Menschen ehrlich denken. Der Freund ist also, ich kann's nicht ändern, mehr als ein Mephisto, er ist der Narrenspiegel meines komödiantenhaften Ichs.
    »Du glaubst, daß Paulchen meine schwarze Seele gelten läßt?«
    »Die Liebe ist wie Radiumbestrahlung, sie hat Tiefenwirkung. Den Krebsherd brennt sie aus. Das Gute wandelt sie zur Frucht. Es ist der dunkle Fleck der Seele stets ein Ansporn wahrer Liebe.«
    Ich schrubbe, daß die Dielen Späne lassen. Wahrhaftig, meine eig'ne Sprache schlägt mich wieder nieder! Die eig'ne Burschikosität stößt mich mahnend in die Rippen!
    Wo ist die lyrische Empfindsamkeit, die gestern noch mein ganzes Wesen bannte, die mich am flammenden Kamin in helle Weiten trug und unter Äolsharfen leise singen ließ. Zerstoben ist das Traumbild von der Tafel des Olymp – ich find' mich wieder auf der Erde, mit dem Teppichklopfer in der Hand.
    »Bin ich ein Dichter?« frage ich den Freund und halte ein mit Putzen.
    »Wie bitte?« Endlich, scheint's, hat's die Stimme etwas ihm verschlagen. »Ob du ein Dichter bist – wieso?«
    »Ich war in meinem Leben sieben Tage lyrisch – doch Hunderte von Tagen weltlich frech.«
    »Na und? Ist Lyrik das allein nur gültige Wertmaß für den Dichter? – Im übrigen ist deine Frage voll des Hochmuts.«
    »Ah! Es war erst vor drei Tagen, als du stolz mich nanntest. Das ist ein Unterschied.«
    »Den Stolz hast du abgelegt. Jetzt bist du eingebildet. Du bist das inkonsequenteste Geschöpf, das ich kenne.«
    »Warum bin ich seit heute wieder aus der Lyrik ausgestoßen?«
    »Warum gibt eine Kuh nicht Buttermilch?«
    Ich habe diesen Freund bisher geschätzt, nun hasse ich ihn. Es bereitet ihm eine Wonne, mich zu quälen. Wenn er nur einmal sagte: ›Nein, du bist ein Schreiberling, ein herzlos blasender Trompeter der Vernunft!‹ Doch daran denkt er gar nicht, er redet frech von Kuh und Buttermilch, und ich weiß nicht, wie meine Seele Kapriolen schlägt und mich in sieben Tagen durch die Himmel und Höllen eines Träumers führte, um mich, als ich mir Ruhe schuf, ins brodelnd heiße, plätschernd leichte Leben wieder auszustoßen.
    »Brutaler Bursche!« brülle ich und schleudere, gutgezielt, ihm einen Lappen an den Kopf. »Begreifst du nicht: Ich war ein Lyriker, ich tanzte in den Sphären, und heute, plötzlich, ungeahnt steh' ich auf jenem Platz, den ich verlassen wollte.«
    »Auf welchem Platz?«
    »Auf dem bisherigen – dem Platz des ewig jungen Fants, des lachenden Hallodris, des Poeten, der nichts ernster nimmt, als er sich selbst als etwas Ernstes anerkennt. Das aber will ich nicht. Ich will für Paulchen nicht

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