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Der Traum der Hebamme / Roman

Der Traum der Hebamme / Roman

Titel: Der Traum der Hebamme / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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bevor mich Gott zu sich beruft …«
    Ein wehmütiger Ausdruck zog über Hedwigs Gesicht. »Aber ich fürchte, ich muss jetzt Sophia den Rücken stärken, damit sie sich nicht von ihrem Bruder Otaker oder den Kaiserlichen einschüchtern lässt oder sonst etwas Unüberlegtes tut. Und zuallererst muss ich mich tatsächlich mit ein paar vertrauenswürdigen Leuten umgeben.«
    Hedwig verstummte und fühlte große Müdigkeit in sich aufsteigen. Seit der Nachricht vom Tod ihres Sohnes hatte sie kaum geschlafen, sondern nächtelang gegrübelt. Wann war aus dem geliebten, lang ersehnten Kind das Ungeheuer geworden, in das sich Albrecht verwandelt hatte? Was hatte sie falsch gemacht? Hätte sie das Unheil verhindern können?
    Sie wusste plötzlich nicht mehr, ob sie um ihren Sohn trauern oder über seinen Tod erleichtert sein sollte, und dieser Zwiespalt drückte ihr wie eine bleierne Last auf die Schultern.
    Wie würde ihr Leben künftig aussehen?
    So Gott wollte, würde sie in einigen Jahren sechzig werden, das war sehr alt für ein Menschenleben. Ihr Vater war einst ein mächtiger Fürst gewesen: Albrecht der Bär, Begründer und Herrscher der Mark Brandenburg. Nach sieben Söhnen war sie seine erste Tochter und sein Augenstern. Doch als er ankündigte, sie mit dem ältesten Sohn des meißnischen Markgrafen Konrad zu vermählen, um die freundschaftlichen Bande der Askanier mit den Wettinern zu erneuern, war sie entsetzt gewesen.
    Ihr blieb nichts anderes übrig, als dem Vater zu gehorchen und einen viel älteren, mürrischen und damals recht unbedeutenden Markgrafensohn zu heiraten. Gezwungenermaßen fand sie sich mit ihrem Schicksal ab und lernte schnell, ihren grimmigen Gemahl um den Finger zu wickeln. So tröstete sie sich damit, an seiner Seite insgeheim mitzuregieren und auf ihn einzuwirken, um Unheil zu vermeiden.
    Anfangs führten sie sogar eine beinahe gute Ehe, auch wenn sie stets darauf achten musste, mit ihren vorsichtigen Einmischungen nicht Ottos Zorn zu wecken. Als dann ein Dutzend Jahre nach seinem Machtantritt in einem der Rodungsdörfer, dem späteren Freiberg, Silber gefunden wurde, kam Otto zu so viel Reichtum, dass er sie mit kostbaren Kleidern und Geschmeiden überhäufen konnte.
    Und dann trat wie ein Blitzstrahl in der Nacht die Liebe in ihr Leben.
    Es war eine heimliche, sündige und doch alles überwältigende Liebe … zum jüngeren Bruder ihres Gemahls, Dietrich von Landsberg. In seinen Armen erlebte sie zum ersten Mal in ihrem Leben Glückseligkeit. Sie konnten sich nur selten treffen, für wenige, gestohlene Momente. Seit zehn Jahren schon war er tot, doch der Gedanke an ihn erfüllte sie immer noch mit Trauer.
    Vor mehr als fünf Jahren starb ihr Gemahl, und von da an musste sie beinahe wie eine Gefangene leben. Lothars innige Zuwendung hatte ihr Mut und Halt gegeben in düsterer Zeit; sie war voller Dankbarkeit dafür und immer noch erschüttert über sein grausames Ende.
    Nun würde es keinen Mann mehr geben in ihrem Leben. Noch einmal zu heiraten kam für sie nicht in Frage. Und auch nicht der Eintritt in ein Kloster.
    Dietrich von Landsberg, Otto, Lothar – sie alle waren tot, ebenso ihr erstgeborener Sohn. Und ihre Töchter lebten weit fort bei ihren Ehemännern.
    Sie alle hatten sie verlassen. Blieb nur noch Dietrich, dem sie helfen musste, sich gegen den Kaiser zu behaupten.
    Plötzlich lächelte sie ihrem Sohn zu. »Wollen wir ein Stück ausreiten? Einfach ein Stück am Fluss entlang? Die Sonne scheint, die Wiesenblumen blühen …«
    Trotz aller Müdigkeit – um nichts in der Welt würde sie jetzt zu Bett gehen, da sie endlich frei war! Nicht so frei, alles zu tun, was sie wollte, doch wenigstens frei genug, um die Mauern dieser düsteren Burg zu verlassen.
    Dietrich war überrascht von diesem Vorschlag und glücklich über den Lebenswillen, der dahintersteckte.
    Rasch erhob er sich und reichte seiner Mutter den Arm. »Nach allem, was ich hier in den Stallungen gesehen habe, braucht Ihr dringend ein besseres Pferd«, meinte er, während sie die Treppe hinabgingen. »Ich werde mit Raimund von Muldental reden …«
    Hedwig lächelte zufrieden über die wiedererwachte Tatkraft ihres Sohnes. Am liebsten würde sie mit ihm allein losreiten. Doch das wäre natürlich nicht standesgemäß – und auch nicht angemessen, nachdem es einen Mordanschlag in der Familie gegeben hatte.
    Dietrich brachte sofort Bewegung in das Treiben auf dem Burghof. Pferde wurden gesattelt, eine

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