Der Traum der Hebamme / Roman
austrägt, und regiere an ihrer statt, bis dieses Kind volljährig ist«, erklärte er. »Das ist der einzige Weg zu verhindern, dass der Kaiser sich unser Land holt. Oder die Böhmen, unser machtgieriger Schwager Otaker. Jetzt müssen wir erst einmal dafür sorgen, dass die Mark Meißen unser bleibt und der Kaiser keine Truppen gegen uns schickt.«
Vor Schmerz ächzend, legte der Markgraf der Ostmark den linken Fuß auf einen Schemel. Es war einer der Tage, an denen ihn die Gicht besonders quälte.
»Ich werde ein paar zuverlässige Leibwachen zu Sophias Schutz abstellen. Albrechts Truchsess hat offenkundig versagt, obwohl er mir ein tüchtiger Mann zu sein schien. Übrigens berichtete mir dieser Thüringer, von Salza, der Freiberger Burgvogt habe am nächsten Morgen einen Diener namens Hugold als Schuldigen hängen lassen.«
»Ein Diener? Und wer gab ihm den Auftrag?«, fragte Dietrich zweifelnd. Sicher, Albrecht hatte sich überall Feinde gemacht; vielleicht war es die Verzweiflungstat eines Mannes, dessen Frau oder Tochter schweres Unrecht zugefügt worden war. Aber woher hätte ein Diener das Geld für Gift nehmen sollen? Und die Möglichkeit, an welches heranzukommen?
»Dazu war angeblich auch auf der Folter nichts aus ihm herauszubekommen«, antwortete Konrad und wedelte eine Fliege fort. »Und offenbar hatte es Vogt Heinrich sehr eilig, ihn hinzurichten und diese leidige Sache abzuschließen, statt ihn gründlich zu verhören und die Auftraggeber aufzuspüren, wenn es welche gab.«
Erneut ächzend, setzte sich Konrad etwas bequemer hin. »Ich will nicht bestreiten, dass dieser Hugold uns womöglich einen Dienst erwiesen hat«, meinte er dann. »Doch wer sagt uns, dass nicht du oder ich als Nächste gemeuchelt werden sollen?«
Die Beiläufigkeit, mit der Konrad diese Worte aussprach, weckte in Dietrich die Frage, ob vielleicht Konrad derjenige war, der diesen Dienst in Auftrag gegeben und bezahlt hatte. Denn so schien der Kriegszug des Kaisers gegen das Haus Wettin abgewendet. Womöglich hoffte Konrad sogar, selbst einmal die Mark Meißen zu übernehmen.
Wiedersehen in Seußlitz
H edwig empfing ihre Besucher aufrecht und beherrscht bereits auf dem Burghof; immer noch schlank, prächtig gekleidet in ein burgunderrotes Kleid mit üppigen Stickereien, der Schleier mit feinen Goldfäden an den Säumen durchwirkt. Ganz und gar eine Fürstin, nicht etwa eine Gefangene.
»Ich freue mich, Euch wiederzusehen … nach so langer Zeit und all dem Unbill, das Ihr ertragen musstet«, begrüßte sie lächelnd Lukas und Marthe.
Dann wandte sie sich Thomas zu, der als Leibwache Dietrichs mitgeritten war, diesmal auf Drago.
»Und in Euch erkenne ich Euern Vater wieder«, meinte sie wehmütig. »Aber Ihr wirkt noch düsterer als er. Gibt es am Hof meines Sohnes kein Mädchen, das Euch gefällt und um das Ihr werben wollt?«
Zu Thomas’ Erleichterung erwartete Hedwig auf diese Frage keine Antwort, denn schon erteilte sie Befehle, die Gäste in den Palas zu geleiten, aufs beste zu bewirten und ihnen ein Bad zu richten.
Er sah, wie sich sein Oheim Jakob vorsichtig von weitem näherte, und noch ein Stück weiter entfernt erkannte er seinen gleichnamigen Cousin.
Das wird ein interessantes Familientreffen, dachte er mit einer Mischung aus Neugier und Sarkasmus. Meistens kam es schnell zu Streit, wenn Lukas seinem jüngeren Bruder begegnete, den er für seine Feigheit und sein Taktieren verachtete. Und Thomas urteilte in dieser Hinsicht noch strenger als sein Stiefvater.
Er sah zu seiner Mutter, die die beiden auch entdeckt hatte und sich sichtlich anspannte. Sie bereitete sich wohl schon darauf vor, schlichtend einzugreifen.
Doch sowohl der ältere Jakob als auch der jüngere blieben in einigem Abstand stehen, während die Gäste in den Palas gingen.
Niemanden erstaunte es, dass sich Hedwig und Dietrich gleich in die Kammer der Fürstin zurückzogen. Sie hatten sich vor aller Augen begrüßt, er ihr sein Beileid zum Tod ihres Erstgeborenen ausgedrückt und verkündet, dass es ihr ab sofort freistehe, Burg Seußlitz zu verlassen, wann immer sie wolle. Doch nach all dem, was geschehen war, gab es zwischen Mutter und Sohn ganz sicher eine Menge unter vier Augen zu besprechen.
Dietrich war zutiefst bewegt vom Anblick seiner Mutter. Alles an ihr strahlte die Botschaft aus, dass sie in den Jahren seit Ottos Tod, während Albrecht sie mehr oder weniger gefangen hielt, nichts von ihrer Würde und Stärke eingebüßt
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